Es gibt (noch) keinen Gefangenenaustausch zwischen Ukraine und Russland

Die Nachricht eines Gefangenenaustauschs zwischen der Ukraine und Russland verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Medien stürzten sich auf einen Facebook-Eintrag des ukrainischen Generalstaatsanwalts und werteten diesen als Beweis für die Nachricht.

Das Flugzeug mit den ukrainischen Gefangenen sei bereits in der Luft, schrieb die ukrainische Parlamentsabgeordnete Anna Islamowa auf Facebook. Und man warte bereits auf die Rückkehr nach Hause, schrieb sie weiter. Diesen FB-Eintrag übernahm der Generalstaatsanwalt in Kiew, Ruslan Rjaboschapka, und postete es auf seiner eigenen FB-Seite. Medien in der Ukraine, in Russland und im Westen reichte das, um es als Beweis dafür zu werten, dass der Gefangenenaustausch tatsächlich im Gange ist. Eine offizielle Bestätigung gab es allerdings weder von Kiew noch von Moskau.

Ganz im Gegenteil: Nur wenige Stunden, nachdem sich die Meldung wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, sah sich die ukrainische Regierung gezwungen, eine Stellungnahme zu veröffentlichen. Darin hieß es, dass der Austausch noch nicht stattgefunden habe und weiterhin "komplizierte" Gespräche geführt würden. Elena Gitljanskaja, Sprecherin des Geheimdienstes SBU, bestätigte dann auch, dass es heute nicht mehr dazu kommen werde und sie auch kein genaues Datum nennen könne, wann es so weit sein wird.

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Diese Episode zeigt aber erneut auf, wie schnell Medien – und in diesem Fall auch der englischsprachige Zweig von RT – auf solche Meldungen in sozialen Netzwerken anspringen und etwas als Tatsache berichten, das sich im Nachhinein als Ente entpuppt. Niemand möchte in dem schnelllebigen Geschäft der Breaking News zu viel Zeit gegenüber demjenigen verstreichen lassen, der gerade eine Eilmeldung zu einem besonders heiklen Thema veröffentlicht hat. Denn je älter eine Nachricht wird, und in diesem Geschäft reichen nur wenige Minuten dafür aus, desto weniger Klicks und Reichweite erzielt das betreffende Medium. Dass diese Arbeitsweise auf Kosten der Qualität geht, darf dann am Ende nicht überraschen.

In diesem Fall nahm man schlichtweg an, dass ein Generalstaatsanwalt schon wissen wird, was in seinem Land geschieht, und das reichte aus, um es als Tatsache darzustellen. Inzwischen hat Rjaboschapka den Post Anna Islamowas von seiner Facebook-Seite gelöscht, doch ein Screenshot konnte als "Beweis" bewahrt werden.

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