Tschechien: Über 100.000 Menschen protestieren gegen Regierung – Premier Babiš lehnt Rücktritt ab

Von Woche zu Woche protestieren immer mehr Menschen gegen Tschechiens Ministerpräsidenten Andrej Babiš. Er steht im Verdacht, sich an EU-Geldern bereichert zu haben. Zurücktreten will er nicht, stattdessen kritisiert er die Demonstranten und Brüssel.

Sie riefen "Schande, Schande" oder hielten Spruchbänder wie "Babiš ins Gefängnis" hoch: Am Dienstagabend demonstrierten rund 120.000 Menschen in Prag gegen die tschechische Regierung und allen voran gegen Premierminister Andrej Babiš. Seit Mitte April gehen Zehntausende auf die Straße. Sie fordern den Rücktritt des Politikers, der als zweitreichster Mann Tschechiens gilt. Dem Multimilliardär wird vorgeworfen, jahrelang als Unternehmer unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert zu haben.

Konzern Agrofert und mögliche Veruntreuung von EU-Fördergeldern 

Es geht hierbei um sein Konzern Agrofert und um die mögliche Veruntreuung von EU-Fördergeldern beim Bau eines luxuriösen Wellness-Resort namens "Storchennest". Der Gründer der Partei ANO 2011 weist die Anschuldigungen jedoch zurück. Einen Rücktritt lehnt er ab. Demonstranten auf der Straße irrten sich, sagte der Politiker am Mittwoch im tschechischen Fernsehen.

Wenn diese Leute auf den Plätzen brüllen, dass ich ein Lügner, Betrüger und Verbrecher sei, dann ist das inakzeptabel", kritisierte der 64-Jährige.

Mit den Regierungskritikern will er auch nicht reden. Die Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny hatte Ende vergangener Woche einen 71-seitigen, noch vertraulichen vorläufigen Untersuchungsbericht der EU veröffentlicht. Darin wird festgestellt, dass Tschechien Subventionen aus europäischen Sozial-, Kohäsions- und Regionalfonds in Höhe von 17,5 Millionen Euro zu Unrecht erhalten habe und die zurückgefordert werden könnten. Und der Konzern Agrofert steht nun im Verdacht, EU-Agrarsubventionen in Millionenhöhe zu Unrecht erhalten zu haben. Denn die Fördergelder seien eigentlich für mittelständische Unternehmen beantragt worden.

Babiš kündigte nun an, sich am Rande des EU-Gipfels am 20. und 21. Juni in Brüssel persönlich bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu beschweren. Das Verhalten der Buchprüfer sei "skandalös" und "inkompetent" gewesen, sagte er.

Vermögen des 64-Jährigen: Etwa vier Milliarden Euro

Die EU-Kommission aber wies die Kritik zurück. Die Prüfer seien professionell und objektiv, sagte Kommissions-Vize Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel. Sie arbeiteten entsprechend internationalen Standards. "Das Ziel ist, die finanziellen Interessen der EU und der Steuerzahler zu schützen, einschließlich der tschechischen Steuerzahler", wird Dombrovskis von der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Das Papier sei zunächst nur ein Entwurf. Man warte nun auf die Stellungnahme aus Prag.

Am Donnerstag kam dann die Nachricht, dass der tschechische Landwirtschaftsminister Miroslav Toman angekündigt hatte, die Auszahlung von Geldern aus dem staatlichen Interventionsfonds an die Agrofert-Holding vorläufig einzustellen. Seit 2017 wurden rund 2,4 Millionen Euro an die Projekte von Agrofert vergeben.

Das Vermögen des 64-jährigen Babiš wird auf etwa vier Milliarden Euro geschätzt. Der Unternehmer ist seit Dezember 2017 Ministerpräsident Tschechiens. Sein Mischkonzern Agrofert wurde zwar im Februar 2017 in zwei Treuhandfonds überführt, doch Kritiker sowie Prüfer aus Brüssel verweisen darauf, dass der Politiker immer noch entscheidenden Einfluss auf die Holding hat. So ist beispielsweise ein Mitglied des Treuhand-Trusts seine Ehefrau. Zudem spielt er als Premierminister eine entscheidende Rolle bei der Vergabe der EU-Subventionen an die jeweilige Holding. 

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