Boris Johnson zum Brexit: "Es geht auch ohne Abkommen"

Boris Johnson will es noch einmal wissen. Seine Rede am Freitag war eine Abrechnung mit dem Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May. Und sie wirkte wie eine Bewerbungsrede. Will der frühere Außenminister sich als möglicher Nachfolger Mays in Stellung bringen?

Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson hat den Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May scharf kritisiert. Wie die Sun berichtet, stellte Johnson in einer Rede am Freitag im englischen Rocester Mays Führung in Frage.

Johnson verlangte von May, die EU zu einem Verzicht auf den umstrittenen "Backstop" aufzufordern, also auf die Garantie einer offenen Grenze zwischen Nordirland und Irland zu verzichten. Im Fall einer Ablehnung dieser Forderung durch Brüssel spricht sich Johnson für einen Brexit ohne Abkommen aus.

Johnson warf May vor, die EU nicht einmal um einen Verzicht auf den Backstop gebeten zu haben, und forderte sie auf, es "dieses Mal ernst zu meinen". Er kritisierte das Brexit-Abkommen der Premierministerin als "Nachgeben" gegenüber Brüssel. Großbritannien würde sich bei einer Umsetzung des Abkommens "am Gängelband" der EU befinden.

In der Rede, mit der Johnson eine neue Führungsdebatte eröffnete und die stellenweise wie eine Bewerbungsrede wirkte, erklärte Johnson, er würde keine Steuern erhöhen und mehr Geld für Soziales bereitstellen. Ein Verlassen der EU biete die Möglichkeit, das Land wieder zusammenzuführen:

Wenn wir unsere Nation wieder zusammenführen wollen, bedeutet das, mehr für gute öffentliche Dienstleistungen auszugeben, für sicherere Straßen, bessere Krankenhäuser, bessere Verkehrsverbindungen und besseres Wohnen.

Johnson erklärte, ein Brexit ohne Abkommen würde Herausforderungen mit sich bringen, denen die Briten aber mehr als gewachsen wären. Johnson sagte:

Wir haben es so weit gebracht, wir dürfen jetzt nicht aufgeben! (...) Wenn wir die Nerven behalten, werden wir nicht diesen Schummel-Brexit erreichen, sondern den Brexit, für den die Briten gestimmt haben.

Das Brexit-Abkommen Theresa Mays war am Dienstagabend vom britischen Unterhaus mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Konservative Brexit-Befürworter trafen sich nach Mays Niederlage im Haus des Abgeordneten Jacob Rees-Mogg, um dieses Ergebnis mit einer Champagner-Party zu feiern.

May hatte nach dem Scheitern eines Misstrauensvotums gegen sie am Mittwoch angekündigt, am kommenden Montag ihr weiteres Vorgehen bekanntzugeben. Im Moment scheinen Neuwahlen ebenso denkbar wie ein ungeregelter Brexit ohne Abkommen. Auch die Möglichkeit eines zweiten Referendums wird immer wieder ins Spiel gebracht, von der Premierministerin und der Mehrheit ihrer Partei aber abgelehnt.

Nur Minuten vor Johnsons Rede hatte die konservative Abgeordnete Penny Mordaunt die Brexit-Gegner in ihrer Partei kritisiert. Es wäre abstoßend, das Ergebnis des Referendums nicht zu akzeptieren, erklärte sie.

Deutsche Politiker und Prominente haben sich unterdessen in einem offenen Brief an die Briten gewandt, um für einen Verbleib des Landes in der EU zu werben. In dem Brief heißt es, man respektiere die Wahl der Briten, aber:

Wir würden Großbritannien als Teil der Europäischen Union vermissen, besonders in diesen schwierigen Zeiten. Deshalb sollten die Briten wissen: Aus tiefstem Herzen wollen wir, dass sie bleiben.

Unter den Unterzeichnern des Briefs befinden sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, der Grünen-Chef Robert Habeck, der Fußballer Jens Lehmann und der Sänger der Toten Hosen, Campino. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nicht dabei, doch es ist denkbar, dass der Brief auch so eher den Befürwortern des Brexit nützt als seinen Gegnern.

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