Regierungskrise in Großbritannien: Was wird aus dem Brexit?

Die Rücktrittswelle in der britischen Regierung scheint erst einmal gestoppt. Dennoch ist völlig offen, ob die Premierministerin ihren umstrittenen Brexit-Plan umsetzen kann - und ob sie ihr Amt behält. In der eigenen Partei wächst der Widerstand gegen May.

Auch nach mehreren Rücktritten in ihrer Regierung hält die britische Premierministerin Theresa May an dem umstrittenen Brexit-Abkommen mit der EU fest. Sie hofft, mit Unterstützung aus der Opposition im Parlament eine Mehrheit zu erhalten. "Jeder einzelne Abgeordnete wird entscheiden müssen, wie er abstimmt, ob er von der DUP ist, den Konservativen, Labour, allen Parteien im Unterhaus", sagte May am Freitag dem Rundfunksender LBC.

Erleichtert sein dürfte May über Berichte, dass Umweltminister Michael Gove offenbar doch nicht zurücktreten wird. Zuvor war spekuliert worden, er könne das nächste Kabinettsmitglied sein, das sein Amt niederlegt. Ein Rücktritt Goves wäre für May nur schwer zu verkraften gewesen. Bereits am Donnerstag hatten Brexit-Minister Dominic Raab und Arbeitsministerin Esther McVey sowie mehrere Staatssekretäre ihre Ämter in der Regierung niedergelegt.

Der Premierministerin droht allerdings weiterhin Gefahr aus der eigenen Partei. Berichten zufolge könnte eine Misstrauensabstimmung in ihrer Fraktion unmittelbar bevorstehen, nachdem der Tory-Abgeordnete und einflussreiche Erz-Brexiteer Jacob Rees-Mogg am Donnerstag der Premierministerin sein Vertrauen entzogen hatte. Notwendig für den Misstrauensantrag sind 48 Stimmen. Diese sollen mittlerweile erreicht sein.

Unklar ist, ob die Rebellen May wirklich stürzen können. Sie brauchen dafür eine Mehrheit der 315 konservativen Abgeordneten. In London kursieren bereits die Namen möglicher Nachfolger. Dazu zählen Rees-Mogg und der frühere Außenminister Boris Johnson. Eine Misstrauensabstimmung kann nur einmal pro Jahr stattfinden. Sollte May als Siegerin hervorgehen, wäre ihre Position zunächst gefestigt.

Mit Spannung wurde erwartet, wen May als neuen Brexit-Minister präsentieren wird. Nach Informationen der BBC soll Umweltminister Gove das ihm angebotene Amt abgelehnt haben. May wies angeblich seine Bedingung zurück, beim Brexit-Deal noch einmal nachzuverhandeln.

Bei der Vorstellung des Abkommens im Parlament war May am Donnerstag heftiger Widerstand entgegengeschlagen. Von allen Seiten hagelte es Kritik. Nicht nur die Opposition will den Kompromiss ablehnen, sondern auch die nordirische DUP, auf die Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, sowie große Teile ihrer eigenen Fraktion. Das Unterhaus wird aber wohl erst im Dezember über das Abkommen abstimmen. May warnte, ein Nein würde bedeuten, "einen Weg tiefer und schwerwiegender Unsicherheit einzuschlagen".

Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte May dagegen auf, den Entwurf aufzugeben. Das Parlament könne und werde eine "falsche Wahl zwischen diesem Abkommen und keinem Abkommen nicht akzeptieren". Er ließ erkennen, dass seine Partei mit Nein stimmen würde.

EU-Ratspräsident Donald Tusk berief einen Sondergipfel ein, um den Austrittsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs soll am 25. November in Brüssel stattfinden. Falls May bis dahin ihr Amt verliert und das Abkommen scheitert, dürfte aus dem Gipfel schnell ein Krisengipfel werden.

May fällt es schwer, das Abkommen als Erfolg zu verkaufen. In fast allen Punkten hat sich die EU-Seite mit ihren Positionen durchgesetzt. Wirkliche Kompromisse sind kaum zu finden. Ihren im Chequers-Plan vorgelegten Vorschlag für eine Freihandelszone in bestimmten Bereichen hat sie nicht durchsetzen können. Auch in der Irland-Frage ist sie gescheitert. Mit dem vorgelegten Abkommen würde das Vereinigte Königreich eng an die EU gebunden bleiben. Ihr Versprechen, dass Brexit wirklich Brexit bedeute, hat May mit diesem Abkommen nicht gehalten. Die Frage ist, ob sie diesen Wortbruch politisch überleben wird.

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(rt deutsch/dpa)