EU-Kommission verklagt Polen vor dem Europäischen Gerichtshof

Wegen der Zwangspensionierung zahlreicher oberster Richter verklagt die EU-Kommission Polen vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Kommission klagt vor dem EuGH, weil die polnische Regierung auch nach mehrfacher Aufforderung das Gesetz nicht freiwillig änderte.

Bisher blieb Polens Regierung im Streit um ihr Justizgesetz auch angesichts drohender EU-Sanktionen hart. Nun verklagt die EU-Kommission Warschau vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte im Zuge einer umstrittenen Justizreform zum Juli das Pensionsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahren herabgesenkt – um missliebige Juristen loszuwerden, wie PiS-Gegner bemängelten. 21 Juristen mussten seitdem gehen. 

Das eingeführte Gesetz verstoße gegen EU-Recht, da es den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, insbesondere der Unabsetzbarkeit von Richtern, untergrabe, erklärte die Kommission am Montag in Brüssel. Sollte der EuGH diese Auffassung teilen, müsste Polen das Gesetz ändern. Andernfalls könnten dem Land enorme Strafzahlungen drohen.

EU-Kommission sieht die Gewaltenteilung in Polen gefährdet 

Die Kommission klagt vor dem EuGH, weil die polnische Regierung auch nach mehrfacher Aufforderung das Gesetz nicht freiwillig änderte. Es ist Teil der umstrittenen polnischen Justizreformen, die aus Sicht der EU-Kommission die Gewaltenteilung in Polen gefährden und die Unabhängigkeit von Gerichten einschränken.

Bisher hatte sich die PiS auch angesichts des Drucks aus Brüssel unnachgiebig gezeigt. Die Reformen seien notwendig, denn viele Richter seien korrupt, argumentiert die Partei. Zudem fielen die Justizreformen nicht in den EU-Zuständigkeitsbereich.

Die Zwangspensionierungen von Richtern sind nur der jüngste Streitpunkt zwischen Polen und der EU-Kommission. Brüssel beanstandet seit mehr als zwei Jahren den Umbau der Justiz und leitete 2017 erstmals überhaupt ein Sanktionsverfahren wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Warschau ein, durch das Polen sogar seine Stimmrechte im EU-Ministerrat verlieren könnte. Dafür müssten allerdings erst einmal 22 der 28 EU-Staaten zustimmen, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Diese Mehrheit ist nicht sicher, da Großbritannien sowie andere mittel- und osteuropäische Länder dem Strafverfahren kritisch gegenüberstehen.

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(dpa/rt deutsch)