Ex-Verteidigungsminister der Ukraine droht Polen mit "Aufstand der Gastarbeiter"

Seit der Inhalt der jüngsten Änderung des polnischen Gesetzes für das "Institut des nationalen Gedenkens" offengelegt wurde und der polnische Präsident die Novelle rechtskräftig unterschrieb, stagnieren die bilateralen Beziehungen mit der Ukraine.

Das Gesetzespapier verbietet unter anderem das Propagieren des so genannten Banderismus. Der bekannte ukrainische Nationalistenführer in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, Stepan Bandera, wird in weiten Teilen der Ukraine als Nationalheld in Erinnerung gehalten. In Ländern wie Russland, Polen und Israel sowie im Osten der Ukraine betrachtet man den im Jahr 1959 in München getöteten Bandera hingegen als einen Kriegsverbrecher, der auch mit den deutschen Nationalsozialisten zusammengearbeitet hatte. 

Allgemein soll die polnische Gesetzesnovelle das Leugnen von Verbrechen ukrainischer Nationalisten am polnischen Volk im Zweiten Weltkrieg unter Strafe stellen.

Ex-Verteidigungsminister der Ukraine meldet sich zu Wort

Oleksandr Kusmuk war in den Jahren von 1996 bis 2001 und von 2004 bis 2005 Verteidigungsminister der Ukraine. Bis zum Sturz der demokratisch gewählten Regierung im Jahr 2014 war Oleksandr Kusmuk Abgeordneter des ukrainischen Parlaments für die "Partei der Regionen", die ab dem Jahr 2010 mit Wiktor Janukowytsch den ukrainischen Präsidenten stellte. Anfang Februar äußerte sich Kusmuk im ukrainischen Fernsehsender 112 Ukraine zu den Gesetzesbeschlüssen in Warschau. Der frühere Staatsdiener erklärte dabei:

Wenn man an die Geschichte erinnert, von vor hundert, zweihundert Jahren, oder sogar bis König Bolesław, also vor tausend Jahren, dann sammeln wir soviel an, dass mit den 1,2 Millionen Ukrainern, die heute in Polen leben, vielleicht etwas passieren wird. Das ist die fünfte ukrainische Front, die nach Polen ging. Diese Front würde die Pfähle ergreifen, wenn wir uns an die Kosaken erinnern, die von Lemberg bis Kiew gehängt wurden. Die Geschichte sollte man kennen, aber Rechnungen begleichen sollte man nicht.

Der ehemalige ukrainische Diplomat bezieht sich in seinen Äußerungen über eine so genannte fünfte Front historisch auf einen strategisch-militärischen Zusammenschluss der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg namens "vierte ukrainische Front", die unter anderem im besetzen Polen die Armee des Dritten Reiches bekämpfte. Kusmuk scheint anzudeuten, dass das neue Gesetz in Polen die Redefreiheit dahingehend drosseln könnte, dass die mittlerweile signifikante Minderheit von Ukrainern in der polnischen Republik sichtbar ihren Unmut zeigen und dies zu gesellschaftlichen Unruhen führen würde.

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Polens nächste Schritte

Nachdem der polnische Sejm (das polnische Parlament) und der polnische Senat mit klaren Mehrheiten das neue Gesetz in seiner jetzigen Form passieren ließen, unterschrieb zwar der polnische Präsident Andrzej Duda die Neufassung, schickte diese aber gleichzeitig zum Zweck der Überprüfung zum polnischen Verfassungsgericht. Polnischen Medienberichten zufolge sei eine Präzisierung der kontroversen Norm durch das Verfassungsgericht möglich. Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski, stellte in einem Brief an den Zentralrat der Juden in Deutschland die Möglichkeit in Aussicht, dass der Begriff "das polnische Volk" genauer beschrieben werde. Eine finale juristische Einschätzung des Gesetzespapiers durch das Gericht steht noch aus.