"Unpraktisch und unrealistisch": IAEO-Chef kritisiert Sanktionsforderungen gegen Rosatom

Die Sanktionen gegen Rosatom werden die Atomindustrie in vielen Ländern in eine Sackgasse bringen, erklärte der IAEO-Chef Rafael Grossi gegenüber Reuters. Die Bundesregierung besteht weiterhin auf die Sanktionen.

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) Rafael Grossi hat sich in einem Interview für die Nachrichtenagentur Reuters klar gegen die Sanktionen gegen das russische staatliche Energieunternehmen Rosatom ausgesprochen. "Viele Unternehmen im Westen sind auf Lieferungen von angereichertem Uran oder Brennstoff aus Russland angewiesen", argumentiere er. Man sei sich einig, dass die Verhängung von Sanktionen gegen Rosatom unrealistisch und unpraktisch wäre.

"Sie würden die Nuklearindustrie in vielen Ländern zum Stillstand bringen", sagte Grossi. 

"Die Verringerung der Abhängigkeit von Russlands Atomsektor wird Europa Milliarden kosten … ich sehe keinen sofortigen Übergang", fuhr er weiter aus und fügte hinzu: "Ehrlich gesagt, sehe ich eher eine Zunahme der russischen Urananreicherungskapazitäten in der Welt als eine Abnahme". 

Im Interview war auch über die Situation des Atomkraftwerks Saporoschje die Rede. Im vergangenen Jahr wurde das Gelände des Kraftwerks von der ukrainischen Artillerie mehrfach beschossen. Außerdem haben die ukrainischen Sabotage-Gruppen versucht den Fluss Dnjepr zu überqueren und am Werk-Ufer anzulanden. Ein IAEO-Inspektorenteam wurde für die Sicherheitsüberwachung des Werkgeländes entsandt. Am 7. Februar besuchte Grossi erneut das Werk. 

"Es gab keine Militarisierung, keinen Einsatz schwerer Artillerie", stellte er gegenüber Reuters fest und fügte hinzu, dass nahe gelegene Kampfgebiete und wiederkehrende Stromausfälle nach wie vor ein Problem darstellen. "Das Mindestpersonal, das für die Betreuung der Anlage in der derzeitigen Situation erforderlich ist, ist vorhanden", so Grossi. Zudem erklärte er, dass die Mindestbesetzung immer noch gegeben sei, obwohl rund 100 Mitglieder sich weigerten, einen neuen Vertrag mit Rosatom zu unterzeichnen. Im Jahr 2022 ging das AKW Saporoschje in russisches Eigentum über. 

Das EU-Parlament hatte nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine in einer Entschließung 2022 mit großer Mehrheit für ein sofortiges Embargo von russischem Uran gestimmt. Doch bisher scheitert die Forderung an dem Widerstand einzelner Mitgliedsstaaten. Europäische Länder sind nach wie vor in hohem Maße von Rosatom abhängig, das fast 50 Prozent des angereicherten Urans der Welt liefert. Die EU hat sich bisher deshalb mit Sanktionen gegen Rosatom oder eine seiner Tochtergesellschaften zurückgehalten. Diese müssen einstimmig durch die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen werden.

Auf Sanktionen gegen Rosatom angesprochen erklärt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes jedoch: "Die Bundesregierung setzt sich im EU-Rahmen weiterhin für Sanktionen gegen den zivil-nuklearen Sektor in Russland ein, auch um russische Staatseinnahmen zu mindern." Deutsche Medien liefern außerdem immer wieder Artikel (wie zuletzt die Tagesschau), die Sanktionen gegen Rosatom aufs Neue begründen. 

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