Das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) ist ein unabhängiges internationales Institut, das sich der Forschung im Bereich Konflikt, Rüstung, Rüstungskontrolle und Abrüstung widmet. Die jüngste Publikation beschäftigt sich mit der Auswertung ermittelter Zahlen aus den "SIPRI Top 100 Waffenverkäufen" des Jahres 2022. Die weltweiten Einnahmen aus dem Verkauf von Waffen und militärischen Dienstleistungen der Rüstungsbranche beliefen sich demnach auf insgesamt 597 Milliarden US-Dollar, "was real 3,5 Prozent weniger ist als 2021, obwohl die Nachfrage stark gestiegen ist", so der SIPRI-Bericht. Die Gründe dafür liegen in den akuten Problemen der Lieferketten für die todbringenden Produkte.
Der Bericht gibt eine Übersicht, dass am Ende des ersten Kriegsjahres im Ukraine-Russland-Konflikt und noch lange vor den Israel-Gaza-Ereignissen das Institut zum Jahresende 2022 einen Rekordanstieg bei Umsätzen der Rüstungsgüter für den Nahen Osten mit elf Prozent zu beobachten war. In der einleitenden Zusammenfassung des SIPRI-Berichtes heißt es:
"Der Rückgang – der Umsätze – war vor allem das Ergebnis sinkender Rüstungsumsätze bei großen Unternehmen in den Vereinigten Staaten. In Asien und Ozeanien sowie im Nahen Osten stiegen die Umsätze erheblich. Ausstehende Aufträge und ein sprunghafter Anstieg neuer Verträge deuten darauf hin, dass die weltweiten Rüstungsumsätze in den nächsten Jahren erheblich steigen könnten."
Die auffälligsten Umsatzrückgänge wurden demnach bei Firmen in den USA und Russland festgestellt. US-Unternehmen verzeichneten laut der Studie dabei Einnahmen von insgesamt 302 Milliarden US-Dollar. Dies entsprach einem Rückgang von 7,9 Prozent. Russische Firmen hatten laut SIPRI-Auswertungen einen Rückgang um 12 Prozent. Die vier deutschen Unternehmen auf der SIPRI-Liste meldeten demgegenüber ein durchschnittliches Plus von 1,1 Prozent und konnten rund 9,1 Milliarden US-Dollar Gewinn vermelden.
Trotz der steigenden Auftragslage durch die Ereignisse in der Ukraine hätten "viele US-amerikanische und europäische Rüstungsunternehmen ihre Produktionskapazitäten aufgrund von Arbeitskräftemangel, steigenden Kosten und Unterbrechungen der Lieferkette, die durch den Krieg in der Ukraine noch verschärft wurden", nicht wesentlich erhöhen können. Zudem erteilten die Länder, die sich militärpolitisch an der Seite der Ukraine positionierten, "erst spät im Jahr 2022 neue Aufträge". Die zeitliche Verzögerung zwischen Aufträgen und Produktion bedeutete daher, "dass sich der Nachfrageschub nicht in den Einnahmen dieser Unternehmen für 2022 niederschlug".
Im Gegensatz zu den großen US-amerikanischen und europäischen Anbietern verzeichneten laut Auswertungen die Unternehmen in Asien und Ozeanien sowie im Nahen Osten im Jahr 2022 "einen deutlichen Anstieg ihrer Rüstungsumsätze, was ihre Fähigkeit unter Beweis stellt, innerhalb eines kürzeren Zeitrahmens auf eine erhöhte Nachfrage zu reagieren", analysiert der Bericht. Die Verkaufserlöse der 22 in der Rangliste aufgeführten Unternehmen aus Asien und Ozeanien stiegen somit um mehr als drei Prozent und erreichten im Jahr 2022 134 Milliarden US-Dollar.
Nichtdestotrotz liegen auf den ersten fünf Plätzen der Rüstungsproduzenten fünf US-Unternehmen, darunter in den Top 3 die Lockheed Martin Corporation (59 Milliarden Umsatz, trotz einem Minus von 8,9 Prozent), Raytheon Technologies (40 Milliarden Umsatz, bei einem Minus von 12 Prozent) und die Northrop Grumman Corporation (etwa konstant bei 32 Milliarden Umsatz). Die Rüstungseinnahmen der 42 US-Unternehmen in den Top 100 sanken dabei insgesamt um 7,9 Prozent auf 302 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Auf sie entfielen 51 Prozent der gesamten Rüstungseinnahmen der Top 100. Unter diesen 42 US-Unternehmen verzeichneten 32 Firmen im Jahr 2022 einen Rückgang ihrer Umsätze für Rüstungsgüter im Vergleich zum Vorjahr.
Auf dem zehnten Platz findet sich das russische Unternehmen Rostec mit einem Umsatz, der etwa 17 Milliarden US-Dollar ausmacht, was demnach einem Minus von 9,9 Prozent entspricht. Das ukrainische Unternehmen UkrOboronProm (Platz 81) verzeichnete laut Statistik einen Rückgang seiner Rüstungseinnahmen um zehn Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar. Der SIPRI-Bericht behauptet dabei, dass die "Transparenz in der russischen Rüstungsindustrie weiter zurückgegangen" sei (Seite 1, "Wichtigste Fakten"). Dadurch wären nur zwei russische Unternehmen in die Top 100 für 2022 aufgenommen worden (Platz 36: United Shipbuilding Corporation mit 3,9 Milliarden US-Dollar Umsatz), da "nicht genügend verfügbaren Daten vorhanden" gewesen wären. So sei in Russland ein "gesamter Waffenumsatz um 12 Prozent auf 20,8 Milliarden Dollar im Jahr 2022" gesunken (Seite 4).
Die Rüstungsumsätze der 26 in Europa ansässigen Unternehmen der Top 100 stiegen um 0,9 Prozent auf 121 Milliarden Dollar im Jahr 2022. Umsatzstärkstes europäisches Unternehmen ist BAE Systems (etwa konstant bei 27 Milliarden Umsatz) aus Großbritannien. "Viele europäische Hersteller konnten ihre Umsätze steigern", kommentiert Lorenzo Scarazzato, ein Forscher des SIPRI-Programms für Militärausgaben und Rüstungsproduktion, mit Verweis auf die massive militärische Unterstützung der Ukraine. Darunter waren Unternehmen aus Deutschland, Norwegen und Polen. So konnte allein das polnische Unternehmen Polska Grupa Zbrojeniowa S.A. (PGZ) seine Rüstungseinnahmen um 14 Prozent steigern.
Das deutsche Unternehmen Rheinmetall rangiert auf Platz 26 mit rund sechs Prozent Gewinnsteigerung (4,5 Milliarden US-Dollar Umsatz). Des Weiteren liegt auf Platz 69 die deutsche Hensoldt AG, ein multinationaler Rüstungskonzern mit Schwerpunkten in den Bereichen Radar und elektronische Kampfführung und dabei zu 25 Prozent im Besitz des Bundes (1,6 Milliarden US-Dollar Umsatz, ein Plus von 6,9 Prozent), und es folgt auf Platz 96 das Unternehmen Diehl (950 Millionen US-Dollar Umsatz, ein Plus von 13 Prozent) als "ein führendes Systemhaus im Bereich der Luftverteidigung".
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