Ein Anfang Mai von der EU-Kommission verhängtes vorübergehendes Moratorium für die Einfuhr von ukrainischem Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen wurde Anfang dieser Woche aufgehoben. Dieser Schritt hat die osteuropäischen Mitglieder der Europäischen Union (EU) gespalten, weil einige die Entscheidung unterstützten, während andere versicherten, sich dieser Anordnung zu widersetzen.
Warum wurde das Verbot von ukrainischen Getreideimporten ursprünglich verhängt?
Zu Beginn dieses Jahres äußerten mehrere EU-Staaten große Besorgnis über den massiven Zustrom billiger landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine und hielten dem entgegen, dass die lokalen Märkte dringend vor einer Destabilisierung geschützt werden müssten. Im Mai verhängte die Europäische Kommission der EU "außergewöhnliche und vorübergehende Präventivmaßnahmen für die Einfuhr" von ukrainischem Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen in fünf Mitgliedsstaaten, um die Auswirkungen des Preisverfalls in den zur Ukraine benachbart gelegenen EU-Ländern zu mildern.
Dieses Verbot erlaubte es zwar, ukrainische Produkte durch die Mitgliedsstaaten zu transportieren, sie dort aber dennoch nicht zu verkaufen oder zu lagern. Das Verbot sollte ursprünglich bereits im Juni enden, wurde aber bis Mitte September verlängert.
Welche EU-Länder haben die Einfuhr des Getreides gestoppt?
Die erheblichen finanziellen Einbußen, die durch das Überangebot an ukrainischem Getreide entstanden waren, haben vor allem jene EU-Mitgliedsländer zu spüren bekommen, die eine gemeinsame Grenze mit der Ukraine haben. Aber selbst mehrere andere Länder haben sich der Forderung nach Maßnahmen der Europäischen Kommission gegen die ukrainischen Exporte angeschlossen. Die von Brüssel beschlossenen Maßnahmen ermöglichten es Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Bulgarien, die Einfuhr ukrainischer Agrarerzeugnisse zu stoppen.
Warum ist das Verbot wichtig für das Verschiffen der ukrainischen Erzeugnisse?
Im Juli setzte Russland seine Teilnahme an der Schwarzmeer-Getreide-Initiative aus, die ein sicheres Verschiffen des ukrainischen Getreides von den Häfen des Landes aus ermöglichte. Die ursprünglich im vergangenen Jahr zwischen Moskau und Kiew ausgehandelte und von den Vereinten Nationen und der Türkei vermittelte Vereinbarung sollte die Lieferung ukrainischen Getreides an die Weltmärkte in Zeiten des militärischen Konflikts zwischen den beiden Nachbarstaaten erleichtern.
Die "Frontstaaten" der EU galten ebenso als sicheres Tor für die Ausfuhr ukrainischer Ernten, die laut Brüssel "für die Ernährung der Welt und die Senkung der Lebensmittelpreise von entscheidender Bedeutung" seien. Die Erzeugnisse blieben jedoch dort in Osteuropa hängen und gefährdeten so den Lebensunterhalt der lokalen Erzeuger gleichartiger Produkte.
Was sind die Gründe für die Rücknahme des Brüsseler Importverbots?
Die EU-Beschränkungen wurden am Freitag aufgehoben, nachdem sich die ukrainischen Behörden bereit erklärt hatten, die Kontrolle über ihre Agrarexporte zu verschärfen. Insbesondere verpflichtete sich Kiew, "rechtliche Maßnahmen" wie ein 30-tägiges Lizenzsystem einzuführen, um einen neuen Anstieg der Getreideexporte zu verhindern. Die Entscheidung, das Verbot aufzuheben, fiel nach wochenlangen Verhandlungen. Die Ukraine drohte sogar damit, die EU über die Welthandelsorganisation auf Schadenersatz zu verklagen.
Welche Schritte haben die ablehnenden Mitgliedsstaaten unternommen?
Vor der Bekanntgabe der EU-Entscheidung hatten Polen und Ungarn gewarnt, dass sie allein handeln würden, um billiges ukrainisches Getreide fernzuhalten. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte am Freitag, Warschau werde ab dem 16. September einseitig die Einfuhr von Agrarerzeugnissen aus der Ukraine blockieren.
Ungarn verhängte seinerseits ein Einfuhrverbot für 24 ukrainische Produkte wie Getreide, Raps und Sonnenblumenkerne sowie für bestimmte Fleischprodukte, Honig und Eier. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán beschuldigte Brüssel, vor den Problemen der europäischen Landwirte "die Augen zu verschließen" und fügte hinzu, dass ukrainische Erzeugnisse, "die für Afrika bestimmt sind, die mitteleuropäischen Märkte überschwemmen" würden.
Unterdessen beschloss auch die slowakische Regierung, die Einfuhr von ukrainischem Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen zu verbieten. Der slowakische Premierminister Ľudovít Ódor erklärte, Bratislava sehe sich gezwungen, "übermäßigen Druck auf den slowakischen Markt zu verhindern", um den einheimischen Landwirten gegenüber fair zu bleiben.
Warum unterstützen Rumänien und Bulgarien die Entscheidung in Brüssel trotz der offensichtlich negativen Auswirkungen auf ihren Agrarsektor?
Bulgarien bildete eine bemerkenswerte Ausnahme, denn dort wurde beschlossen, das Embargo aufzuheben – noch bevor dieser Schritt von der EU-Kommission angekündigt wurde. Der bulgarische Finanzminister Assen Wassilew erklärte, das Verbot habe der Regierung Steuereinnahmen entzogen und zu höheren Lebensmittelpreisen geführt. Berichten zufolge beliefen sich die Verluste Bulgariens allein bei der Mehrwertsteuer auf 74,6 Millionen Euro (fast 80 Millionen US-Dollar). In Sofia rechnete man mit weiteren monatlichen Einbußen in Höhe von 20,4 Millionen Euro, wenn das Embargo verlängert werden würde.
Daher haben nun aber doch mehr als 20 bulgarische Landwirtschaftsverbände ab dem 18. September landesweite Proteste angekündigt. Die bulgarischen Landwirte beklagen, dass die Einfuhr ukrainischer Agrarerzeugnisse auch dort katastrophal sei und den bulgarischen Agrarsektor zerstören würde.
Zwischenzeitlich hat auch der rumänische Ministerpräsident Marcel Ciolacu dazu aufgerufen, die ukrainischen Getreideexporte zu unterstützen. Er erklärte, dass sein Land versuchen werde, das Volumen des Transports durch Rumänien von zwei auf vier Millionen Tonnen zu steigern. Er betonte jedoch auch, es sei wichtig, einen Mechanismus zur Entschädigung der rumänischen Landwirte für ihre Verluste bis zur nächsten Ernte zu schaffen.
Übersetzt aus dem Englischen.
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