"Überraschend" und wegen "schlechten Wetters"? – Britische Wirtschaft auf Talfahrt

Im Juli ist das britische BIP zumindest für staats- und EU-nahe Akteure "überraschend stark" um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat gesunken. Angeblich spielte das schlechte Wetter dabei eine entscheidende Rolle – die rosa Elefanten im Raum werden dabei geflissentlich übersehen.

von Kaspar Sachse

Laut einem Bericht des Handelsblatts vom Mittwoch haben "Ungewöhnlich viel Regen und Streiks" der britischen Wirtschaft einen "überraschend schlechten Start in die zweite Jahreshälfte eingebrockt". Demnach sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Juli um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistikamt ONS am Mittwoch mitteilte. Das sei der größte Rückgang seit Jahresbeginn.

Für die größte deutsche Wirtschaftszeitung kommt das "überraschend", denn "von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Minus von 0,2 Prozent gerechnet."

Doch alle wichtigen Wirtschaftssektoren – von der Industrie über das Baugewerbe bis hin zu den Dienstleistern – befinden sich in der Rezession. Verantwortlich dafür, und sehr ungewöhnlich für die britischen Inseln, sei das schlechte Wetter:

"Zudem habe ungewöhnlich viel Regen einen Einbruch des Konsums verursacht und die Baubranche belastet."

Großbritannien ist seit Beginn des Ukraine-Krieges einer der Staaten, die am stärksten nach antirussischen Sanktionen und ukrainischen Waffenlieferungen schreien. Seitdem galoppiert die Inflation davon. Von den G7-Staaten ist nur die bundesdeutsche Wirtschaft im Moment noch schlechter dran. 

Steigende Zinsen und steigende Lebenshaltungskosten haben sich negativ auf die britischen Haushalte ausgewirkt und Millionen von Bürger gezwungen, ihre Ausgaben zu senken. Unterdessen hatte die Bank of England – selbst nicht unwesentlich für die ökonomische Misere durch maßloses Gelddrucken verantwortlich – Anfang des Jahres gewarnt, dass britische Haushalte und Unternehmen erkennen müssen, dass sie ärmer geworden seien, und aufhören müssten, Lohnerhöhungen zu fordern.

Wie viele andere europäische Staaten hat sich auch Großbritannien infolge der "Corona-Krise" massiv verschuldet – allein im Jahr 2021 betrug die Staatsverschuldung 106 Prozent des BIP. Dies führte zu einer massiven Abwertung des englischen Pfunds gegenüber dem US-Dollar seit der Finanzkrise 2007/08. Hinzu kommen eine katastrophale Gesundheitspolitik und immer wieder aufbrechende Konflikte zwischen Zuwanderern, beispielsweise zwischen Moslems und Hindus. 

Ähnlich wie die Bundesrepublik zeichnet sich die britische Wirtschaft beziehungsweise Politik in den letzten Jahren durch Deindustrialisierung, erhöhte Staatsquoten (besonders beim Thema Aufrüstung) und die Zerstörung des Mittelstandes zugunsten internationaler Konzerne aus. Britische EU-Freunde und Brexit-Gegner verweisen dagegen auf die enormen Kosten der Trennung von Brüssel. Mittel- und langfristig dürfte sich das allerdings bezahlt machen, denn die EU ist wirtschaftlich und politisch auf dem absteigenden Ast und die Briten werden sich noch freuen, das sinkende Schiff rechtzeitig verlassen zu haben, da ihnen vermeintliche Segnungen wie der Green Deal 2030 oder der digitale Euro nun erspart bleiben.

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