Nachdem die deutschen Zöllner damit begonnen haben, russischen Staatsbürgern bei der Grenzüberquerung ihre privaten Fahrzeuge wegzunehmen, hat die EU-Kommission in ihrem am Freitag veröffentlichten FAQ-Dokument zur Sanktionsanwendung unmissverständlich klargestellt: Das Handeln der deutschen Beamten ist regelkonform. Darüber hinaus stellten die EU-Behörden fest, dass fast alles, was Touristen für ihren privaten Gebrauch bei der Einreise mit sich führen, in der EU beschlagnahmt werden darf.
Die Reaktionen in Russland auf das aktualisierte Dokument der EU ließen nicht lange auf sich warten. Dumm und gesetzlos sei die Entscheidung der EU-Kommission, sagte der Chef des russischen Zolls, Ruslan Dawydow. "Aus der Sicht der normalen Zolllogik sind ihre Entscheidungen absolut illegal", sagte er gegenüber dem russischem Wirtschaftsportal RBC. In Bezug auf mögliche Vergeltungsmaßnahmen äußerte Dawydow die Hoffnung, dass Russland "keine solche Gesetzlosigkeit begehen wird", da "wir im Gegensatz zu ihnen zivilisierte Menschen sind".
Der Jurist und Politiker Andrei Klischas sieht es genau andersherum. "Nur gegenseitige Spiegelbeschränkungen für EU-Bürger können die tollwütigen Eurobürokraten beeinflussen und die Aufhebung solcher diskriminierenden Vorschriften bewirken", schrieb er auf seinem Telegram-Kanal. Klischas ist der Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsgesetzgebung und Staatsaufbau im Föderationsrat.
Auch der Vize-Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, will im Gegenzug keine Vergeltungsmaßnahmen für EU-Bürger einführen. "Wir sind keine Rassisten, im Gegensatz zu vielen Führern dieser Länder, deren Verwandte in der SS gedient haben. Und diejenigen, die zu uns kommen, lieben und schätzen Russland in der Regel", kommentierte er die EU-Vorschrift auf seinem Telegram-Kanal. Der EU-Beschluss sei dagegen "ein Schlag ins Gesicht jedes Bürgers von Russland". Er schlug vor:
"Es wäre besser, die diplomatischen Beziehungen mit der EU eine Zeit lang auszusetzen. Und das diplomatische Personal (aus der EU) in unser Land abzuziehen. Dann werden sich die eitlen Idioten in Brüssel kollektiv und dick in die Hose (und natürlich in den Rock) pissen. Denn die Botschaften werden vor ganz bestimmten Ereignissen evakuiert. Wer weiß, wozu diese Orks in Wattejacken aus dem endlosen Mordor noch fähig sind …"
Auch von russischen Diplomaten erfolgte eine Bewertung. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums warf der EU Rassismus vor. "Das ist Rassismus. Es ist ein seit Langem bestehendes und in der Tat jahrhundertealtes Konzept der Dominanz und des Wunsches, andere zu kontrollieren und Menschen nach Hautfarbe, Ohrgröße oder Schädelgröße in richtige und falsche einzuteilen", sagte Maria Sacharowa der russischen Parlamentszeitung RG.
Sie bemerkte, dass Russland jedes Jahr Resolutionen in die UNO einbringt, die sich gegen alle Formen von Nazismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wenden. "Ausgerechnet die Vertreter des Westens – der Vereinigten Staaten von Amerika und der EU-Länder – stimmen dagegen und enthalten sich der Stimme", so die Diplomatin.
Laut der Klarstellung der EU-Kommission ist neben Autos auch eine breite Palette anderer persönlicher Güter von den Sanktionen betroffen, wenn sie aus Russland mitgebracht werden. Auf die Frage, ob russische Staatsangehörige vorübergehend persönliche Güter und Fahrzeuge in die EU einführen dürfen, auch wenn sie als Touristen reisen, antwortete Brüssel mit "Nein" und fügte hinzu, dass alles, was in Anhang XXI der EU-Verordnung über die Sanktionen gegen Russland aufgeführt ist, verboten sei.
In diesem Anhang sind mehr als 180 Warenkategorien aufgeführt, zu denen neben Privatfahrzeugen auch Smartphones und andere Telefone (CN Code 8517), Damenkleidung (6204), verschiedene Arten von Koffern und Taschen (4202), Schuhe (6403), Seife, Deos und sonstige Hygieneartikel (3307, 3401), Zahnpasta (3306) und sogar Toilettenpapier (4818) gehören.
Auf die Frage nach der Umsetzung der Regeln erläuterte ein Sprecher der Kommission, es sei unwahrscheinlich, dass Kleidung, die jemand beim Grenzübertritt trage, darauf abziele, Sanktionen zu umgehen. "Das ist eine andere Situation als ein teures Auto", sagte der Sprecher gegenüber Reuters.
Die Direktorin des russischen Touristik-Verbandes der Reiseveranstalter, Maja Lomidze, sieht in den EU-Sanktionsrichtlinien eine grobe Verletzung der grundlegenden Rechte eines Touristen. In einem Kommentar für RG wies sie darauf hin, dass deren Auslegung und Umsetzung einzelnen EU-Ländern obliege. Es komme darauf an, ob die Länder an der Aufrechterhaltung des noch verbliebenen Touristenstroms aus Russland interessiert seien, wobei Deutschland beispielsweise im Unterschied zu Italien, Griechenland oder Frankreich wahrscheinlich keine Nachsicht gegenüber russischen Bürgern üben würde.
Mehr zum Thema - Botschaft warnt vor Beschlagnahme russischer Pkw in Deutschland