Die Zahl der in Polen gemeldeten Diebstähle ist im Jahr 2022 um 13 Prozent auf 124.000 gestiegen. Damit stieg die Anzahl der Diebstähle das zweite Jahr in Folge, nachdem sie zuvor auf einen Tiefstand von insgesamt 99.000 Diebstählen im Jahr 2020 gesunken war. Das geht aus den neusten Erhebungen der polnischen Polizeibehörden hervor, die am Donnerstag von der Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlicht wurden. Die Daten beziehen sich auf gemeldete Diebstähle, also Diebstähle von Gegenständen im Wert von mehr als 500 Zloty (106 Euro). Diebstähle von Gegenständen im Wert von weniger als 500 Zloty (106 Euro) werden gesondert als Ordnungswidrigkeiten eingestuft. Der Schwellenwert für diese Einstufung war von den Behörden erst zu Beginn des Jahres angehoben worden.
Die Zahl gemeldeter Diebstähle war seit 2004 stetig zurückgegangen, obwohl es zwischen 2010 und 2012, als Polen mit den Folgen der weltweiten Finanzkrise zu kämpfen hatte, einen kurzen Anstieg gab. Nach einem Rückgang auf den niedrigsten Stand im Jahr 2020 ist die Zahl der Diebstähle nun jedoch wieder deutlich gestiegen. Diese Entwicklung fiel mit der steigenden Inflation zusammen, die in dem Land Anfang 2021 zu steigen begann und im Oktober mit 17,9 Prozent einen 25-Jahres-Höchststand erreichte. "Wir haben in der Tat eine erhöhte Anzahl von Diebstählen zu verzeichnen, insbesondere Ladendiebstähle", gestand Polizeisprecher Mariusz Ciarka gegenüber Rzeczpospolita ein. Gestohlen würden vor allem Lebensmittel, gefolgt von Luxusartikeln wie teuren Parfüms und Spirituosen sowie kleinen elektronischen Geräten.
Aus den Daten geht hervor, dass der Anstieg der Diebstähle im vergangenen Jahr mit 13 Prozent deutlich höher war als bei anderen Straftaten, wo er lediglich 4,5 Prozent betrug. Somit machen sie in Polen inzwischen etwa die Hälfte aller Straftaten aus. Im Jahr 2022 häuften sich in den polnischen Medien daher auch Berichte über Diebstähle von lebenswichtigen Produkten wie Lebensmitteln. "Der Anstieg der Diebstähle ist ein klares Signal für Probleme auf dem Markt", so die Vorsitzende der Polnischen Handels- und Vertriebsorganisation Renata Juszkiewicz. Die steigenden Preise veranlassten mehr Menschen dazu, sich für Ladendiebstahl zu entscheiden. Für die Geschäfte sei diese Entwicklung natürlich eine große Herausforderung, die zu den steigenden Betriebskosten hinzukomme.
In diesem Zusammenhang wies Juszkiewicz auf ein neues Phänomen hin: Produkte, die früher kaum oder nur in geringen Mengen gestohlen wurden, würden jetzt vermehrt entwendet. Diese Gegenstände, "insbesondere Lebensmittel", würden entwendet, weil die Menschen von organisierten Verbrecherbanden dazu gedrängt würden, sie zu stehlen, so Juszkiewicz. Als Reaktion darauf haben einige Geschäfte damit begonnen, Artikel wie Butter mit Diebstahlschutzvorrichtungen zu versehen. Eine Entwicklung, die kaum verwundert, wenn man sich die Preisentwicklung in Polen anschaut. Die Inflation liegt dort weiterhin bei fast 17 Prozent und ist damit doppelt so hoch wie in Deutschland.
Zudem haben sich die Preise vieler Lebensmittel im laufe der letzten Monate weit über das Inflationsniveau hinaus erhöht – allen voran jene für Butter, die nun das Objekt der Begierde vieler Diebe ist. Solche Preissteigerungen reißen ein Loch in die Finanzen der Familien. Gleichzeitig sind für viele Polen auch die Wohnkosten exorbitant gestiegen. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Menschen in dem Land, 84,2 Prozent, über Wohneigentum verfügen. Familien, die ihre Wohnung mit einem Kredit finanziert haben, müssen aufgrund der hohen Inflation fast doppelt so hohe Raten an die Bank abführen wie im vergangenen Herbst, da die Zinsen in Polen in der Regel an die aktuelle Inflation angepasst werden.
Und das Problem dürfte in Polen noch zunehmen: Wirtschaftsexperten zufolge liegt das Schlimmste in Sachen Inflation noch vor uns. Die polnische Wirtschaft hatte sich im Jahr 2022 aufgrund der steigenden Inflation und des Einbruchs der Verbraucherausgaben, der durch den Konflikt in der benachbarten Ukraine und die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland verursacht wurde, merklich abgeschwächt. Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass die Inflation weiter steigen wird, wobei Polen in diesem Jahr voraussichtlich erneut eine der höchsten Raten in der EU haben wird. Der Chef der polnischen Zentralbank, Adam Glapinski, zeigte sich dennoch vorsichtig optimistisch. Trotz schlechter Prognosen geht der Ökonom davon aus, dass das Land eine Rezession noch vermeiden kann - auch wenn es im ersten Quartal des Jahres zu vorübergehenden Schwankungen kommen könnte.
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