Ukrainisches Stromnetz etwa zur Hälfte zerstört

Ungeachtet der westlichen Pressemeldungen, wonach die Stromversorgung in der Ukraine nach den schweren russischen Luftangriffen vom 15. November weitgehend wiederhergestellt sei, kommen aus Kiew andere Signale – und diese wohl nicht nur zufällig gegenüber der EU.

Laut dpa seien in der Ukraine die Probleme bei der Stromversorgung nach den massiven russischen Raketenangriffen von dieser Woche angeblich wieder weitgehend behoben. Präsident Wladimir Selenskij habe in seiner täglichen Videoansprache behauptet: "Die Mehrzahl der Stromkunden sind in den verschiedenen Regionen wieder an das Netz angeschlossen." Reparaturteams der Stromanbieter und des Zivilschutzes seien die ganze Nacht im Einsatz gewesen.

Desolate Lage – EU soll helfen

Wie allerdings ukrainische und russische Nachrichtenagenturen heute übereinstimmend berichten, ist dennoch beinahe die Hälfte des ukrainischen Energiesystems aufgrund der Raketeneinschläge nach wie vor zerstört oder außer Betrieb. Diese Angaben gehen auf den ukrainischen Premierminister Denis Schmygal zurück. Dieser hatte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Valdis Dombrovskis wörtlich erklärt:

"Allein am 15. November hat Russland rund 100 Raketen auf ukrainische Städte abgefeuert. Fast die Hälfte unseres Energiesystems ist außer Betrieb gesetzt."

Der ukrainische Regierungschef fügte hinzu, dass Kiew unter diesen Umständen zusätzliche Hilfe von der EU benötige. So sei die Ukraine auf Lieferungen von Energieausrüstungen angewiesen und bedürfe zusätzlicher Finanzmittel, insbesondere für den Kauf von Gas.

Am Dienstag hatte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko erklärt, dass der Angriff auf das Energiesystem des Landes am 15. November der massivste seit Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands gewesen sei. Die Angriffe hätten Kraftwerke, Leitungen und Umspannwerke zerstört.

Moskau: Kommando- und Energiesysteme sind militärische Ziele

Das Verteidigungsministerium in Moskau verwies darauf, dass das russische Militär "einen massiven Schlag mit präzisionsgelenkten luft- und seegestützten Waffen großer Reichweite gegen das militärische Kommandosystem der Ukraine und die damit verbundenen Energieanlagen" ausgeführt hat. Nach Angaben des Ministeriums "trafen alle abgefeuerten Raketen ihr vorgesehenes Ziel, alle Einrichtungen wurden getroffen".

Moskau erklärte sein militärisches Vorgehen seit dem 10. Oktober damit, dass die russische Armee gezielt die ukrainischen Kommandostrukturen sowie die Kommunikations- und Energiesysteme beschieße. Präzisionswaffen großer Reichweite würden gegen Ziele in Charkow und Kiew, aber auch in Lwow und Iwano-Frankowsk eingesetzt. Wladimir Putin bezeichnete die geänderte Taktik als eine Reaktion auf den Terroranschlag Kiews auf die Krim-Brücke und andere Angriffe auf zivile Ziele in Russland. Infolge der jüngsten russischen Raketenangriffe sollen bis zu 20 Millionen Ukrainer zumindest zeitweise ohne Energieversorgung gewesen sein. Das entspräche annähernd der Hälfte der Bevölkerung. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sagte bereits am 1. November, dass etwa 40 Prozent der Energieinfrastruktur des Landes beschädigt seien.

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