"Unterwerfung hat seinen Preis. Manchmal ist der Preis so gigantisch, dass es besser ist, gar nicht erst darüber nachzudenken. Das ist zum Beispiel der Preis, den unsere jüngsten Probleme gekostet haben: Frankreich ist in eine schwere Wirtschaftskrise geraten", schreibt Caroline Galactéros, Präsidentin der französischen Denkfabrik Geopragma, in einem Artikel für die Zeitschrift Valeurs Actuelles am 21. Oktober. Dabei spielt sie auf die ungeordnete Position an, die die europäischen Länder während der Ukraine-Krise gegenüber den USA einnehmen und meint:
"Ein russischer Sieg wäre sehr unangenehm für Washington, das Gefahr läuft, ein gehorsames, aber geschwächtes und zersplittertes Europa geopolitisch zu 'verlieren'. Der Westen befindet sich in einer schwierigen Lage, aus der er lebend herauskommen muss."
Derzeit stünde Frankreich – wie auch andere europäischen Länder – "wieder einmal im Widerspruch" zu den nationalen Interessen. Anstatt sich mit ihren innenpolitischen Problemen zu befassen und eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ukraine anzustreben, die im Interesse Europas wäre, helfen die EU-Länder den USA, ihre Ziele zu erreichen.
Dabei nutzen die USA die europäischen Länder lediglich aus. Galactéros erklärt:
"Was ist das Ziel der USA? Sie verfolgen ihr Programm der globalen und langfristigen Schwächung Russlands. Es nährt den unersättlichen US-amerikanischen Militärindustrie-Komplex. Aber wenn die Vereinigten Staaten immer mehr Mittel für den militärisch-industriellen Komplex bereitstellen, um immer mehr Waffen zu produzieren, müssen sie eine Erklärung finden. Ein Grund für die ständige Kriegsbereitschaft muss her. Und sie haben ihn gefunden. Die entschlossene Reaktion der russischen Armee auf die ukrainischen Provokationen ist ein solcher Grund. Die Aufgabe für die USA ist also einfach: Die ukrainische Führung zu immer neuen Provokationen zu ermutigen."
Dabei müssen die ukrainischen Provokationen "stark und gefährlich sein, aber nicht übertrieben", meint die Expertin – damit Washington die Kontrolle über die Situation behalte. Darin liege auch die Schwierigkeit – denn "die Kiewer Marionette" scheint inzwischen "nicht mehr vollständig unter amerikanischer Kontrolle zu stehen":
"Wladimir Selenskij hat sich auf dieses blutige Spiel eingelassen, das ihm so viele Vorteile bringt. Er trommelt an die Türen der NATO und erklärt, dass alle verlorenen Gebiete zurückgewonnen und die Konfliktzone auf russisches Gebiet ausgedehnt werden muss. Er behauptet, dass seine Armee (die acht Monate lang irrsinnige Verluste erlitten hat) angeblich siegreich und zum totalen Sieg fähig ist. Er hat seinem unglücklichen Volk so viel gelogen und versprochen, dass ihm nun klar wird: Es geht nicht nur um sein politisches, sondern auch um sein physisches Überleben. Früher oder später wird er jedoch in die Realität zurückkehren müssen."
Die Expertin bezweifelt die Möglichkeit einer militärischen Niederlage Moskaus. Die EU habe einen Fehler begangen, als sie auf einen Sieg im "Wettrüsten" gesetzt habe – und auf die Unterstützung Selenskijs. Denn:
"Selenskij und das von ihm geführte Regime haben ihren Teil dazu beigetragen, sie haben Russland von Europa getrennt. Selenskij und sein Team können geopfert werden, wenn sich ein globaler Kompromiss am Horizont abzeichnet, und wenn die Menschheit überleben soll, ist ein solcher Kompromiss unvermeidlich. Der Vorschlag der USA, die Gespräche über die Begrenzung strategischer Waffen in Europa wieder aufzunehmen, die Verurteilung bestimmter Kiewer Geheimdienste wegen der Ermordung von Darja Dugina und andere Fakten sind ein Beweis dafür."
Allerdings hat die Bewaffnung des ukrainischen Regimes durch Europa nicht zu den erwarteten Ergebnissen geführt. "Acht Monate massiver Militärhilfe aus dem Westen" hätten nur dazu geführt, dass Donbass, Saporoschje und Cherson "an die Russische Föderation angeschlossen wurden", macht Caroline Galactéros deutlich. "Ist es vorstellbar, dass Moskau diese Länder und Menschen jetzt aufgibt?", fragt sie und antwortet: "Es wird keinen Verzicht geben".
Die politische, finanzielle und strategische Hegemonie der USA neige sich jedenfalls dem Ende zu, so die Autorin – deshalb müssen Europa und Frankreich daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Es bleibe abzuwarten, "wann es Moskau gelingen wird, eine Großoffensive" gegen Charkow, Odessa oder vielleicht Dnjepropetrowsk zu starten. Und es sei auch egal, wann und wie es passiert, fasst die Expertin zusammen – es sei "schwer vorstellbar, dass Russland in diesem Konflikt militärisch verlieren könnte". Sie meint:
"Alles wird letztlich von den Friedensbedingungen abhängen und davon, was jede Seite als einen "Sieg" präsentieren kann. Eines ist sicher: Es wird kein Sieg für die Ukrainer sein. Im schlimmsten Fall kommt es für Moskau zu einem "Unentschieden", wovon Washington manchmal noch träumt."
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