Seit Jahrzehnten sucht die Schweiz ein Endlager für Atommüll. Nun hat man sich für einen Ort entschieden: Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) plant das Endlager im Gebiet Nördlich Lägern an der deutschen Grenze, in der Nähe des baden-württembergischen Ortes Hohentengen am Hochrhein. Dort sollen die Abfälle in mehreren Hundert Metern Tiefe in Opalinuston eingebettet werden.
Den Standort hatte die Nagra am Samstag mitgeteilt. Genauer erläutern wollte sie die Wahl des Standortes am Montag auf einer Pressekonferenz in Bern, hieß es in einer Mitteilung. Wenn die Schweizer Behörden und die Bevölkerung zustimmen, würden die radioaktiven Abfälle aus den fünf Kernkraftwerken des Landes sowie aus medizinischen und industriellen Anlagen mehrere hundert Meter unter der Erde vergraben werden. Drei Standorte hatten für das Endlager zur Auswahl gestanden. Alle drei befinden sich in der Nähe der deutschen Grenze. Laut Nagra-Chef Matthias Braun habe die Geologie den Ausschlag für die Entscheidung gegeben.
Die baden-württembergischen Grenzgemeinden sind jedoch skeptisch gegenüber den Zusicherungen der Schweiz und befürchten, dass die Trinkwasserversorgung gefährdet sein könnte. Mehrere Bürgermeister aus der Region teilten mit, dass das geplante Endlager eine große Belastung für 67.000 Menschen bedeute. Am Hochrhein sei bei einer Untersuchung festgestellt worden, dass im Fall einer Havarie bei den Atommülltransporten zum Endlager die Grundwasserströme der Aare und auch am Rhein und damit die Trinkwasserquellen gefährdet seien. Auch die Koordinationsstelle beim Regionalverband Hochrhein-Bodensee teilte mit, dass die Frage nach dem Trinkwasserschutz eine große Sorge der Bevölkerung sei.
Auch das deutsche Bundesumweltministerium hat die Pläne der Nagra kritisiert. Die grenznahe Lage "stellt sowohl in der Errichtungsphase als auch beim Betrieb des Endlagers für diese und umliegende Gemeinden eine große Belastung dar", sagte Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium und Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, auf Anfrage der dpa. Das baden-württembergische Umwelt- und Energieministerium hatte im Vorfeld mitgeteilt, dass man es akzeptieren könne, falls der geologisch sicherste Standort in Grenznähe liege.
In der Schweiz selbst regt sich ebenfalls Widerstand gegen die Pläne. Die lokale Schweizer Gruppe "Nördlich Lägern ohne Tiefenlager" (LoTi) sagt, dass die Nagra der Öffentlichkeit eine Erklärung schulde, warum sie den Standort in der Vergangenheit als ungeeignet abgelehnt und kürzlich ihre Meinung geändert hat.
Trotz der Beunruhigung könnte sich das Genehmigungsverfahren über Jahrzehnte hinziehen. Die Nagra will bis 2024 ein Baugesuch einreichen. Dann müsste der Bundesrat entscheiden und das Parlament wäre an der Reihe, zuletzt käme es zu einer Volksabstimmung.
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