In den vergangenen Wochen und Monaten wurden mehrere prorussische Verwaltungsbeamte im Gebiet Cherson und in anderen von Russland kontrollieren Teilen der Ukraine getötet. Sie wurden mit ihren Autos in die Luft gesprengt, erschossen oder sogar erhängt. Viele weitere Anschläge wurden vereitelt oder endeten nicht tödlich. Die USA nennen diese Taktik des Terrors "Guerillakrieg" und "ukrainischer Widerstand" – und sehen sich als Urheber dessen.
So habe die USA bereits im Jahr 2014 begonnen, in der Ukraine Voraussetzungen zur Bildung sogenannter Widerstandsnester gegen eine mögliche russische Invasion zu schaffen. Das sagte Richard Clarke, der Leiter des US-Kommandos für Spezialeinsätze, in einem Interview, das vom Kolumnisten der Washington Post (WP) David Ignatius am Mittwoch zitiert wurde. Clarke zufolge bildeten die Vereinigten Staaten ukrainische Spezialeinsatzkräfte (SOF) in Erwartung einer kommenden russischen Kampagne aus:
"Als die Russen im Februar einmarschierten, arbeiteten wir bereits seit sieben Jahren mit den ukrainischen SOF zusammen."
"Mit unserer Unterstützung bauten sie Kapazitäten auf, sodass sie nicht nur zahlenmäßig wuchsen, sondern – was noch wichtiger ist – auch ihre Fähigkeiten ausbauten. Und zwar sowohl bei Kampfeinsätzen als auch bei Informationsoperationen."
Bei Informationsoperationen handelt es sich um Einsätze auf dem Gebiet der sogenannten informationspsychologischen Kriegsführung. Dazu gehören das Erzeugen von Panik und Angst in den sozialen Medien, Verbreitung von Fake News und Hass-Kampagnen gegen missliebige Medienpersonen und Politiker. Mit dieser Aufgabe sind in der Ukraine insgesamt vier Zentren für informationspsychologische Operationen (CIPsO) betraut. Dank geleakten Unterlagen ist bekannt, dass Hunderte CiPsO-Mitarbeiter Ausbildungen nach NATO-Vorgaben absolvieren.
Aber auch physischer Terror gehört zum Arsenal der ukrainischen Sondereinheiten. Ihr hochrangiger US-Ausbilder hat auch dieses offene Geheimnis nun bestätigt. Allerdings: Er verklärt die Terror-Taktiken als "Widerstand" und "Guerillakrieg".
Um sich auf die Abwehr einer russischen Invasion vorzubereiten, habe jede ukrainische SOF-Brigade im vergangenen Jahr eine sogenannte Widerstandskompanie aufgestellt und ausgebildet, die sich aus der örtlichen Bevölkerung in Gebieten wie Cherson, Saporoschje und dem Donbass rekrutierte, schreibt WP. Clarke habe gesagt:
"Wenn Sie heute ein russischer Soldat sind, müssen Sie Ihren Kopf ständig im Auge behalten, weil Sie nicht wissen, wo die Bedrohung liegt. Sie können nicht jeden Ukrainer ansehen und wissen, ob er ein Feind ist".
Soldaten sind Militärziele. Der Terror der ukrainischen Sondereinheiten richtet sich aber auch gegen ukrainische Verwaltungskräfte, die sich darum bemühen, ein friedliches Leben in den von Russland kontrollieren Gebieten zu organisieren. Auch WP weist darauf hin:
"Dieser Guerillakrieg hat unter den prorussischen Beamten in den besetzten Gebieten zu einer hohen Zahl von Toten geführt. In den vergangenen Wochen wurden pro-russische Beamte durch Autobomben, Bomben am Straßenrand, Gift und Schrotflinten getötet oder verletzt".
Am 24. August wurde Iwan Suschko, der Leiter der Militär- und Zivilverwaltung von Mischailowka in der Region Saporoschje, bei einem Autobombenanschlag getötet. Er fuhr seine sechsjährige Adoptivtochter in den Kindergarten. Das Kind überlebte. Am 27. August wurde Andrei Ryschkow, Leiter der örtlichen Polizei im gleichen Ort, erhängt aufgefunden. Am 6. August wurde Witali Gura, der stellvertretende Leiter der Verwaltung von Nowaja Kachowka in der Region Cherson, getötet. Er wurde erschossen.
Ein weiteres Verbrechen: Die Ermordung des Ex-Abgeordneten der Werchowna Rada Alexei Kowaljow und seiner Frau am 28. August. Er wurde in seinem Haus mit einem Kopfschuss getötet, seine Lebensgefährtin durch Messerstiche am Hals. Kowaljow gehörte der Partei des ukrainischen Präsidenten Selenskij "Diener des Volkes" an und war ein in der Region bekannter Agrarunternehmer. In Cherson war er stellvertretender Leiter der militärisch-zivilen Verwaltung für Landwirtschaft im Gebiet Cherson.
Diese "Partisanenkampagne" sei laut WP in dieser Phase des Krieges der große Vorteil der Ukraine. US-Militärbefehlshaber hätten ihre russischen Kollegen vor dieser brutalen irregulären Kriegsführung, die auf den Erfahrungen der USA im Irak und in Afghanistan beruht, gewarnt.
Neuauflage des Bandera-Terrors
Davon war seinerzeit viel in der US-Presse die Rede. Was sowohl die US-Medien als auch der US-General nicht erwähnen, ist die Tatsache, dass das derzeitige Kiewer Regime in Wirklichkeit bei Sabotage und Terror nicht an die Erfahrungen in Afghanistan, Irak oder Syrien anknüpft, sondern an den Kampf der sogenannten Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) am Ende des Zweiten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren.
Die breite Bevölkerung gab den UPA-Kämpfern den Spitznamen "Banderowzy" – in Anlehnung an den Namen des Anführers der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera. Am Ende des Zweiten Weltkrieges und in den ersten sechs bis sieben Nachkriegsjahren haben diese Gruppen in den Wäldern der Westukraine operiert.
Der Kampf der "Banderowzy" richtete sich nicht nur gegen sowjetische Soldaten und Vertreter der Sicherheitsorgane, sondern auch gegen einfache Bauern, Verwaltungskräfte, Lehrer und Ärzte. Tausende Menschen wurden teilweise bestialisch ermordet. Es herrschte de facto ein unterschwelliger Bürgerkrieg in der Westukraine.
Die Sowjetmacht gewann schließlich diesen Kampf. Tausende gefangengenommene UPA-Kämpfer verbrachten einige Jahre in den Lagern, wurden aber nach mehreren Amnestiewellen während der Regierungszeit unter KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow freigelassen. Viele Beobachter und Kenner der Gebiete bezeichnen deshalb die fortgesetzten Terroranschläge in den russisch kontrollieren Gebieten als Neuauflage des Bandera-Terrors.
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