Russland macht künftigen Betrieb von Nord Stream 1 von Gasnachfrage und Sanktionen abhängig

Durch Nord Stream 1 fließt seit Wochen nur ein Fünftel der möglichen Gasliefermenge. Ende August wird die Ostseepipeline wegen Wartungsarbeiten für drei Tage stillstehen. Russland ruft den Westen auf, die von ihm selbst gebauten Probleme möglichst schnell zu lösen.

Russlands Vizeaußenminister Alexander Pankin hat in einem exklusiven Interview mit der Nachrichtenagentur TASS über Aussichten für russische Gaslieferungen nach Europa über die Ostseepipeline Nord Stream 1 erzählt. Dabei machte er den künftigen Betrieb der Gasleitung von mehreren Faktoren abhängig. Der Diplomat hob hervor, dass Russland derzeit nach Europa nur die Gasmenge liefere, die technisch möglich sei.

"Wie die russische Seite mehrmals erklärt hat, sind die laufenden Einschränkungen bei den Lieferungen über die Gaspipeline ausschließlich durch die geltenden antirussischen Sanktionen Kanadas, der EU und Großbritanniens bedingt."

Pankin warf dem Westen vor, sich in seinen Restriktionen gegen Russland verzettelt zu haben. Dies verhindere eine erfolgreiche Lösung der Situation um den Transport und die Reparatur von Turbinen, die die Gaslieferungen über Nord Stream 1 nach Europa ermöglichen.

"Was den künftigen Betrieb von Nord Stream 1 betrifft, so hängt vieles von unseren Partnern ab."

Unter den entscheidenden Faktoren nannte der Diplomat die Gasnachfrage und die Auswirkungen der Strafmaßnahmen gegen Russland auf den Betrieb der Gasleitung. Die jetzige Reduzierung der Liefermengen sei nicht von Russland, sondern von der EU initiiert worden. Pankin berief sich dabei auf einen EU-Plan, auf russische Energiequellen bis zum Jahr 2030 zu verzichten.

Der russische Vizeaußenminister machte darauf aufmerksam, dass Moskau im Jahr 2021 alle seine Verpflichtungen im Rahmen der geschlossenen Gaslieferverträge erfüllt habe. Selbst in dieser komplizierten Zeit bemühe sich Russland darum, seinen Verpflichtungen nachzukommen. In diesem Zusammenhang rief Pankin den Westen auf, die von den westlichen Regierungen selbst gebauten Probleme so schnell wie nur möglich zu lösen. In diesem Fall werde sich die Situation auf dem Gasmarkt schnell normalisieren.

Pankin erklärte ferner, dass die bereits gebaute Gaspipeline Nord Stream 2 unter diesen Umständen ein Ausweg sein könnte. Das Projekt sei schon im Dezember 2021 betriebsfertig gewesen. Deutschland habe jedoch unter dem Druck aus den USA, Polen und den baltischen EU-Staaten beschlossen, es auf Eis zu legen. Dabei habe die Bundesregierung nur ihren eigenen Bürgern und Unternehmen geschadet. Selbst wenn die deutschen Behörden rein hypothetisch in den Betrieb von Nord Stream 2 einwilligen sollten, könnte momentan nur ein Strang davon genutzt werden, da die auf dem Territorium Russlands befindliche Infrastruktur bereits zum Teil für die Gasversorgung der nordwestlichen Regionen des Landes genutzt werde.

Am Freitag hatte Russland angekündigt, Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 Ende August für drei Tage zu unterbrechen. Vom 31. August bis zum 2. September werde wegen Wartungsarbeiten kein Gas nach Deutschland fließen. In dieser Zeit müsse die einzige funktionierende Turbine der Kompressorstation Portowaja überprüft und überholt werden. Nach Angaben des Staatskonzerns Gazprom sollten danach täglich wieder 33 Millionen Kubikmeter Erdgas geliefert werden – 20 Prozent der täglichen Maximalleistung, auf die Russland die Lieferung vor einigen Wochen verringert hatte.

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