Ein großes Gaspipeline-Projekt, das von Madrid und Berlin befürwortet wird, stößt auf den Widerstand von Paris. Dies berichteten die Tageszeitung El País und mehrere andere spanische Medien diese Woche unter Berufung auf ein Schreiben des französischen Ministeriums für Energiewende.
Dabei geht es um das 2019 auf Eis gelegte Projekt "Midi-Catalonia-Pipeline". Durch die auch unter dem Namen "MidCat" bekannte Leitung sollte laut Plan Gas aus Algerien sowie auch Flüssiggas (LNG) von der Iberischen Halbinsel nach Zentraleuropa geleitet werden. Das Projekt wurde bereits 2013 zwischen Frankreich, Spanien und Portugal vereinbart, dann aber im Jahr 2019 gestoppt. Nun will Madrid mit Verweis auf die Überwindung der Energiekrise in der Europäischen Union die "MidCat-Pipeline" als Alternative zu russischen Erdgaslieferungen reaktivieren.
Das "MidCat"-Projekt sollte ein Gastransitnetz schaffen, das sich über Hunderte Kilometer quer durch Spanien und Frankreich erstreckt und eine Transitkapazität von etwa 7,5 Milliarden Kubikmetern Gas bietet. 2019 wurde es von Frankreich jedoch ausgesetzt, das einen Großteil der Kosten übernehmen sollte. Demnach sollte Paris zwei Drittel der etwa 3,1 Milliarden Euro aufbringen. Am Ende hielt Frankreich das Projekt finanziell für nicht tragfähig. Aus der EU sollen laut Medienberichten bereits rund sechs Millionen Euro investiert worden sein.
Die Idee der Pipeline wurde im Frühjahr 2022 wieder aufgegriffen, da aufgrund des Ukraine-Konflikts eine drohende Energiekrise wegen möglicher Kürzungen der Gaslieferungen aus Russland – dem wichtigsten Energielieferanten des Kontinents – befürchtet wurde. Laut der spanischen Zeitung El País "drängen" Madrid und Berlin darauf, das Projekt "wiederzubeleben". Paris scheint jedoch nicht überzeugt zu sein.
"Ein solches Projekt würde in jedem Fall viele Jahre benötigen, bis es in Betrieb genommen werden kann", erklärte das von Agnès Pannier-Runacher geleitete französische Ministerium in einer per E-Mail übermittelten Erklärung, die El País und mehrere andere spanische Medien demnach einsehen konnten. Unter anderem soll in dem Schreiben aus Paris darauf verwiesen worden sein, dass "MidCat" wahrscheinlich nicht zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise in der EU oder der potenziellen Engpässe im kommenden Winter beitragen würde. Stattdessen schlug das französische Ministerium laut Berichten vor, weitere Flüssiggas-Terminals als "kleinere und schnellere Investitionen" zu bauen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärt, dass er seine spanischen und portugiesischen Amtskollegen gebeten habe, das Projekt zu "diskutieren". Zudem sei er mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesbezüglich "im Gespräch".
Macron hat sich bisher nicht öffentlich zu dem Projekt geäußert. Das französische Ministerium für Energiewende erklärte, dass "MidCat" Gegenstand eines "Dialogs zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten" sein muss, und wies darauf hin, dass auch "die europäische Solidarität und unsere Klimaziele" berücksichtigt werden sollten. Aus Madrid kam diese Woche von der dritten stellvertretenden Ministerpräsidentin Teresa Ribera, die auch Ministerin für ökologischen Wandel ist, prompt der Verweis darauf, dass man die Pipeline künftig auch für den Transport von Wasserstoff nutzen könnte, der ja zu den erneuerbaren Energiequellen zählt.
Spanien selbst bezieht sein Erdgas über zwei Unterwasser-Leitungen – die Maghreb-Europa-Pipeline und die Medgaz-Pipeline – aus Algerien.
Andere Stimmen in Spanien spekulierten darüber, dass Paris mit seiner Zögerung hinsichtlich der Projekt-Belebung Konkurrenz zu seinen Energieexporten befürchtet. Frankreich habe "Angst vor grünem Wasserstoff aus dem Süden", sagte etwa der spanische Europaabgeordnete Nicolás González Casares und fügte hinzu, dass die französischen Behörden "ihre Atomkraft schützen wollen".
Andere Analysten verweisen wiederum darauf, dass die Wiederbelebung des "MidCat"-Projekts wohl vor allem vor dem Hintergrund der steigenden LNG-Importe in der EU wieder an Attraktivität gewinnen würde. Über die Pipeline könnte demnach vor allem der Zugang zu den spanischen und portugiesischen Flüssiggas-Terminals verbessert werden. Spanien und Portugal verfügen über acht Regasifizierungsanlagen. Auch nach Deutschland könnte das LNG von der Iberischen Halbinsel aus weitertransportiert werden. Die Bundesrepublik verfügt bislang über kein Flüssiggas-Terminal, will aber bis zum Jahresende in Wilhelmshaven und Brunsbüttel schwimmende Terminals in Betrieb nehmen.
Die weltweit enorm steigenden Energiepreise haben in der EU zu einer Krise geführt. In dieser Woche überstiegen die Kosten für Gas-Termingeschäfte am niederländischen TTF-Hub zum ersten Mal seit März die Marke von 2.600 US-Dollar pro tausend Kubikmeter. Prognosen zufolge könnten die Preise in diesem Winter um 60 Prozent bis auf 4.000 US-Dollar pro tausend Kubikmeter ansteigen. Anfang dieses Monats billigte die EU einen Plan, wonach die Mitgliedsstaaten ihren Gasverbrauch um 15 Prozent senken sollen, um die Krise zu bewältigen.
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