Ein Bericht von Eva Bartlett
Es war äußerst schwierig, die verkohlten und entstellten Überreste der ukrainischen Kriegsgefangenen im Internierungslager Jelenowka mit eigenen Augen zu betrachten. Der Gestank des Todes war überwältigend. Es lagen noch Leichen in den Ruinen, die mit den metallenen Etagenbetten verschmolzen waren, in denen die Opfer zum Zeitpunkt des Angriffs geschlafen hatten.
Vor dem zerstörten Gebäude lagen weitere Leichen, die vermutlich durch Granatsplitter getötet wurden und nicht dem Feuer zum Opfer fielen. Ein Soldat der Donezker Volksrepublik war dabei, sie zu inspizieren. Vermutlich um die genaue Todesursache und die Identität der Opfer festzustellen. Auch wenn es die ukrainische Seite war, die ihre eigenen Soldaten ermordete, so waren es die Russen, die sich darum kümmerten, ihre Überreste zu identifizieren. Einige der grauenvollen Eindrücke und meine Gedanken dazu habe ich gleich nach meiner Rückkehr aus Jelenowka auf Twitter geteilt.
Am Morgen darauf besuchte ich Donezk, um die extrem gefährlichen sogenannten Schmetterlingsminen zu dokumentieren, die von ukrainischen Truppen über der Stadt verteilt worden waren. Nach Angaben des Katastrophenschutzes der Volksrepublik Donezk wurden am Tag zuvor acht Zivilisten durch diese Minen getötet. Wenn man auf einen dieser winzigen aber wirkmächtigen Sprengkörper tritt, reißt es dem Opfer wahrscheinlich das Bein ab, anstatt es sofort zu töten. Zudem haben die Minen ein heimtückisches und spielzeugartiges Aussehen, das wahrscheinlich die Aufmerksamkeit von Kindern auf sich ziehen soll.
Wer profitiert vom Kriegsverbrechen in Jelenowka?
Die Ukraine und die westlichen Medien machen erwartungsgemäß Russland für den Angriff auf das Internierungslager in Jelenowka verantwortlich, bei dem 53 Menschen getötet wurden. Russland und die Volksrepublik Donezk wiederum zeigen mit dem Finger auf Kiew.
Zusätzlich zu den Toten wurden beim Angriff, der sich um 2:00 Uhr morgens ereignete und nach Angaben von Beamten der Volksrepublik mit von den USA gelieferten HIMARS-Raketen durchgeführt wurde, mindestens acht Aufseher des Internierungslagers und mehr als 70 dort festgehaltene Kriegsgefangene verletzt. Bei den Gefangenen handelt es sich um ukrainische Kämpfer, unter denen sich hauptsächlich Mitglieder der Neonazi-Miliz Asow befinden, die sich im vergangenen Mai in Mariupol ergeben hatten.
Wenn HIMARS tatsächlich die Quelle der Zerstörung und des Todes war, dann ist es fast sicher, dass die Ukraine das Gefängnis bombardiert hat, da Kiew über die Koordinaten verfügt und die einzige Seite im Konflikt ist, die ein solches Waffensystem besitzt. Sogar das Pentagon gab zu, dass dies zutreffen könnte, obwohl es den Angriff als "wenn, dann unbeabsichtigt" bezeichnete.
Aus logischer Sicht hatte Russland keinerlei Grund, das Gefängnis zu bombardieren. Für die Ukraine hingegen stellen diese Kriegsgefangenen eine Bürde dar, da sie Kriegsverbrechen bezeugen könnten, die sie gegen Zivilisten im Donbass begangen haben.
Die Ukraine hat ihrerseits bisher eine Litanei von Behauptungen veröffentlicht, die darauf abzielt, Russland für Vorkommnisse im aktuellen Konflikt zu belasten. Sei es das Massaker von Bucha, der Angriff auf die Entbindungsklinik in Mariupol, der Schwindel mit dem "Gespenst von Kiew", die angeblichen Massengräber von Zivilisten in Mariupol, sowie die absonderlich falsche Anschuldigung gegen russische Soldaten, Vergewaltigungen an Kindern begangen zu haben, die dermaßen an den Haaren herbeigezogen waren, das sich selbst das ukrainische Parlament genötigt sah, die mittlerweile ehemalige ukrainische Kommissarin für Menschenrechte für diese Behauptung zu feuern.
Russland hat die UNO und das Internationale Rote Kreuz eingeladen, den Ort des Angriffs in Jelenowka zu untersuchen. Inzwischen haben Faktenfinder damit begonnen, öffentlich zugängliche Daten zu analysieren, um sich ein Bild von dem zu machen, was tatsächlich passiert ist. Hier ist eine aufschlussreiche Analyse des Telegram-Kanals von Rybar, mit mehr als 627.000 Followern, der sich auf militärische Analysen spezialisiert hat:
"Der östliche Teil des Gebäudes erlitt den größten Schaden, wo es auch zu einem starken Brand nach der Explosion kam, die auch die Fenster in den Nachbargebäuden zum bersten brachte."
Der Analytiker kam zu dem Schluss, dass dem Aufprallwinkel nach zu urteilen, "das Geschoss entlang der Linie Marinka-Kurachowo im Sergejewka-Dreieck und Pokrowsk-Udatschnoje abgeschossen wurde". Dieses Gebiet ist unter der Kontrolle Kiews. Die Analyse konnte aufgrund der vorliegenden Informationen nicht abschließend sagen, ob eine Rakete aus einem HIMARS-System abgefeuert wurde.
Entlang der "wem nützt es?"-Logik weisen auch einige weitere Umstände auf Kiew als Urheber des Angriffs hin. Diese wurden von russischen Analysten aufgezeigt und in einer Chronologie zusammengestellt. Die gefangenen Neonazis vom Battalion Asow wurden Ende Mai in das Internierungslager Jelenowka gebracht. Da der Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland auch Kämpfer von Asow mit einschloss, gab es starken Widerstand gegen deren Freilassung. Dies bedeutet, dass es nie eine Garantie dafür gab, dass diese Kämpfer in Zukunft ausgetauscht würden – was sie möglicherweise zu einer Bürde für Kiew machte.
Bereits am 20. Juni erschienen in russischen Kanälen in den Sozialen Medien Berichte über den Beschuss des Internierungslagers in Jelenowka durch ukrainische Streitkräfte. Am 28. Juli wurde das Geständnis eines Kämpfers vom Battalion Asow bekannt, der behauptete, dass Neonazis in Charkow und Kiew Befehle direkt aus Selenskijs Büro erhalten hätten, russische Kriegsgefangene zu foltern und zu ermorden. Spät in dieser Nacht, beziehungsweise früh am nächsten Morgen, griff das ukrainische Militär genau jenes Haftzentrum an, in dem das Asow-Mitglied sein Geständnis abgelegt hatte, sowie auf andere Haftzentren, in denen Kriegsgefangene festgehalten wurden, die Geständnisse abgelegt hatten.
An anderer Stelle haben weitere Neonazis in Gefangenschaft gestanden, vorsätzlich Zivilisten ermordet zu haben, was für die Ukraine ein PR-Desaster darstellt, das nur noch schlimmer werden kann, wenn die Gefangenen in Jelenowka nachziehen.
Letztendlich verabschiedete der US-Senat nur zwei Tage vor dem Angriff auf Jelenowka eine Resolution, die das Außenministerium der USA auffordert, Russland als "Sponsor des internationalen Terrorismus" einzustufen. Nachdem Kiew einen Angriff verübt hat und man Moskau dafür verantwortlich macht, könnte es durchaus dazu kommen, dass sich diese Resolution durchsetzt, obwohl das US-Außenministerium sich bisher zögerlich zeigt.
Angesichts der wiederholten Versuche Kiews, Russland etwas anzulasten und vor dem Hintergrund der acht Jahre andauernden Bombardierungen von Zivilisten im Donbass, ist die Annahme einer Tötung der eigenen Soldaten durch ukrainische Streitkräfte nicht allzu weit hergeholt. Tatsächlich haben ukrainische Soldaten, die sich ergeben hatten, behauptet, ihre Kommandeure hätten ihnen damit gedroht, sie zu erschießen, falls sie versuchen sollten, sich zu ergeben. Und tatsächlich hätten ukrainische Nationalisten auf sie geschossen, als sie versuchten, sich zu ergeben. Wobei in einem Fall Dutzende Soldaten getötet oder verwundet worden seien.
Es bleibt jetzt den Ärzten aus Russland und der Volksrepublik Donezk überlassen, das Leben der ukrainischen Kriegsgefangenen zu retten, die offensichtlich beim Beschuss durch die eigenen Streitkräfte verletzt wurden. Nach dem Angriff auf Jelenowka sagte einer der Ärzte vor einem Krankenhaus in Donezk, in denen die verwundeten Ukrainer versorgt werden, dass fünf davon bereits erfolgreich an ihren Wunden operiert worden seien und an zwei weiteren noch operiert werde. "Es spielt für uns keine Rolle, auf welcher Seite sie standen – wir helfen Ihnen", sagte er.
Die grässlichen Szenen mit verkohlten Leichen und mit Granatsplittern übersäten Körpern, die ich im zerbombten Internierungslager gesehen habe, werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Ja, Krieg ist hässlich. Aber wenn es um Kriegsverbrechen und Heuchelei geht, dann erhöht die Ukraine zunehmend den Einsatz.
Übersetzt aus dem Englischen.
Eva Bartlett ist eine kanadische freie Journalistin und Aktivistin. Sie hat Jahre vor Ort in Konfliktzonen im Nahen Osten verbracht, insbesondere in Syrien und Palästina, wo sie fast vier Jahre lebte). Sie twittert unter @EvaKBartlett.
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