Deutschland wird sich wie angekündigt gegen ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes Nachhaltigkeitslabel für Atomkraft aussprechen. Die Bundesregierung habe der französischen Ratspräsidentschaft erklärt, ein Veto gegen den entsprechenden ergänzenden Rechtsakt einlegen zu wollen. Das teilte das Finanzministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zu Samstag mit. Wenn die EU-Staaten oder das Europaparlament Einwand erheben würden, könne verhindert werden, dass der Rechtsakt in Kraft trete, so das Finanzministerium. Frankreich hat in Brüssel derzeit turnusgemäß den Vorsitz unter den EU-Staaten inne.
Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen reagierte erfreut auf die Nachricht aus Berlin. "Das deutsche Nein ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission. Der Druck auf Ursula von der Leyen, diesen Irrweg zu beenden, steigt", sagte der Sprecher der Grünen-Delegation. Die Grünen forderten nun auch andere Mitgliedsstaaten dazu auf, Einspruch gegen den Kommissionsvorschlag einzulegen. Im Juli soll das EU-Parlament über seine Position zu dem Vorschlag abstimmen.
Die Kommission der Europäischen Union hatte Anfang Februar einen Beschluss vorgelegt, der Atomenergie und Erdgas künftig unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig und klimafreundlich einstuft. Der Beschluss ist Teil der sogenannten Taxonomie, also eines einheitlichen Verfahrens zur Klassifizierung von Technologien als klimafreundlich oder nicht. Bei der sogenannten Taxonomie geht es um ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen.
Die Einstufung von bestimmten Geldanlagen als nachhaltig soll Investoren anlocken, um die Energiewende voranzubringen. Bislang sind unter anderem erneuerbare Energien in der Taxonomie als klimafreundlich eingestuft. Zweck des neuen Klassifizierungssystems ist es, mehr Investitionen in "grüne" Wirtschaftsbereiche anzuregen.
Die EU will bis 2050 komplett klimaneutral werden. Dazu bedarf es, laut Schätzungen Brüssels, Investitionen im Umfang von 350 Milliarden Euro.
Die Beschlussvorlage aus Brüssel stufte Investitionen in neue Gaskraftwerke bis zum Jahr 2030 als umweltfreundlich ein – vorausgesetzt, dass sie alte Kohlekraftwerke ablösen und bis 2035 ausschließlich mit klimafreundlicheren Ressourcen wie Wasserstoff betrieben werden können.
Atomkraftwerke sollten sogar bis zum Jahr 2045 als klimafreundlich gelten können, sofern bis zum Jahr 2050 Maßnahmen zur endgültigen Lagerung von radioaktiven Abfallstoffen vorgelegt werden.
Mehr zum Thema - Schwedischer Energieminister für Bau neuer Atomkraftwerke: "Müssen Stromproduktion sichern"
rt de / dpa