Schröder gegenüber New York Times: Man kann Russland nicht isolieren

Der Altkanzler Gerhard Schröder sei Paria in seinem eigenen Land, schreibt die US-Zeitung New York Times, die mit ihm in seinem Haus in Hannover sprechen durfte. Auch im Interview bleibt Schröder bei seinem früheren Standpunkt: Deutschland werde Russland nach wie vor brauchen.

In einem Interview mit der US-Zeitung New York Times (NYT) sprach sich der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ausdrücklich gegen ein deutsches Energie-Embargo gegen Russland aus. Er äußerte auch die Hoffnung, dass die Beziehungen zu Moskau nach dem Ende des Krieges in der Ukraine wieder aufgenommen würden. Im Artikel, der am Samstag erschien, betonte er, dass Russland und Deutschland einander brauchen.

"Wir brauchen Öl und Gas, um unseren Haushalt zu bezahlen. Und wir brauchen Öl und Gas, um zu heizen und die Wirtschaft am Laufen zu halten", erklärte er. Er betonte:

"Man kann ein Land wie Russland nicht auf Dauer isolieren, weder politisch noch wirtschaftlich."

"Die deutsche Industrie braucht die Rohstoffe, die Russland hat. Das sind nicht nur Öl und Gas, das sind auch seltene Erden. Und das sind Rohstoffe, die man nicht einfach ersetzen kann", fügte Schröder hinzu.

In ihrem Longread setzt sich die NYT kritisch mit Person Gerhard Schröder und seinem politischen Erbe auseinander und bezeichnet ihn als Paria in seinem eigenen Land. Auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ex-Bundesminister Sigmar Gabriel wurden von der US-Zeitung für ein Interview angefragt, lehnten es aber ab. Die Positionen des Altkanzlers nannte ehemaliger Diplomat und Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger im Artikel "die Spitze eines Eisbergs". Dahinter stünden mächtige wirtschaftliche Interessen einer "aggressiven" Lobby in der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte. 

Die NYT bezeichnet Deutschland als ein von russischen Energielieferungen im höchsten Maße abhängiges Land, weist jedoch darauf hin, dass die Bundesregierung sich darum bemüht, diese Abhängigkeit vollständig zu beenden. Der Wandel in der Position der Außenministerin Annalena Baerbock sei dafür ein Beispiel.

"Ein Drittel unserer Ölimporte kommt aus Russland", sagte Außenministerin Annalena Baerbock im vergangenen Monat dem Bild-TV. "Wenn wir die sofort stoppen würden, dann könnten wir uns morgen in Deutschland nicht mehr bewegen." Inzwischen habe sie ihre Position jedoch geändert und unterstützt ein schrittweises Verbot von Öl und Gas.

Während die deutschen Politiker die Bürger immer häufiger auffordern, ihre Thermostate zu senken und kürzer zu duschen, um Putin irgendwie zu bestrafen, bestand Schröder gegenüber der NYT darauf, dass ein vollständiges Energieembargo "nicht passieren wird".

"Wenn dieser Krieg vorbei ist", schloss er, "werden wir wieder mit Russland verhandeln müssen. Das machen wir immer."

Die NYT ging auch auf das Verhältnis des Altkanzlers zur russischen großangelegten Militäroperation in der Ukraine und angeblichen russischen Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha ein. Schröder distanzierte sich von dem Krieg, aber nicht von Herrn Putin. "Das (Massaker) muss untersucht werden", sagte Schröder, fügte aber hinzu, dass er nicht glaube, dass entsprechende Befehle vom russischen Präsidenten, sondern von einer niedrigeren Instanz gekommen seien.

"Ich denke, dass dieser Krieg ein Fehler war, und das habe ich auch immer gesagt", sagte Schröder. "Was wir jetzt tun müssen, ist, so schnell wie möglich Frieden zu schaffen. Ich habe immer den deutschen Interessen gedient", fügte er hinzu. "Ich tue, was ich tun kann. Wenigstens eine Seite vertraut mir."

Seit Beginn der Militäroperation bot sich Gerhard Schröder als Vermittler an und traf sich persönlich mit Wladimir Putin und russischen Unterhändlern bei den Verhandlungen mit der Ukraine. Frieden und Wohlstand in Europa würden immer vom Dialog mit Russland abhängen, so Schröder. Es müsse so rasch wie möglich eine Friedenslösung gefunden werden. Russlands Präsident Wladimir Putin sei ihm zufolge daran interessiert, den Krieg zu beenden.

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