In den umkämpften Städten in der Donbass-Region werden die Zivilisten nicht nur durch Beschuss der Artillerie bedroht, sondern auch von den Kämpfern der ukrainischen Armee. Übereinstimmend erzählen die Überlebenden, wie die Kämpfer Menschen mit Sniper-Beschuss durch die Straßen jagten und Wohnhäuser mit Panzern und Artillerie vorsätzlich beschossen. Besonders gefährlich ist es für Autoinsassen.
Am Dienstag meldete die Donezker Volksrepublik mit Verweis auf Augenzeugenberichte die Tötung von mindestens 23 Einwohnern der Stadt Kramatorsk im Norden der Donezker Volksrepublik. Die Stadt wurde im Sommer 2014 von der ukrainischen Armee zurückerobert und hat sich seitdem in eine gefestigte militärische Hochburg verwandelt. Zu Beginn der großen Donbass-Offensive bleibt sie unter Kontrolle der Ukraine.
Die Militanten hätten an der Ausfahrt aus der Stadt auf der Straße N-20 in Richtung Slawjansk Fahrzeuge angehalten und sie beschlagnahmt, so die Behörden. Wenn die Autobesitzer Widerstand leisteten, wurden sie und die Insassen am Straßenrand erschossen.
"Wir gehen sicher von insgesamt 23 Zivilisten aus, die von ukrainischen Nationalisten getötet wurden. Die tatsächliche Zahl der Opfer könnte viel höher sein."
Offenbar handelt es sich um Fluchtstrategien, wenn die Kämpfer ihre Kleidung wechseln und sich dann als Flüchtlinge ausgeben und dafür zivile Fahrzeuge benutzen. Das Oberhaupt der Donezker Volksrepublik Denis Puschilin erzählte in einem Fernsehgespräch am Dienstag von einer Geschichte aus der Stadt Mariupol, als ein Kämpfer sich für den Vater dreier Kleinkinder ausgab, deren Eltern er tötete. "Die Haare stehen zu Berge angesichts solcher Geschichten."
"Die Arbeit an der Ermittlung solcher Verbrechen hat sich intensiviert. Unsere Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaft dokumentieren jeden solchen Fall, dann muss das Tribunal folgen", sagte er.
Die Donezker Behörden bekommen Unterstützung von den russischen Kollegen. Kurz nach Bekanntgabe der Berichte über 23 tote Zivilisten in Kramatorsk teilte das russische Ermittlungskomitee mit, dass es nun die Vorfälle untersuchen und die Täter ausfindig machen will. "Der Vorsitzende des russischen Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin hat eine Untersuchung der Morde angeordnet, die ukrainische Kämpfer in Kramatorsk begangen haben, um Zivilisten auszurauben", gab die Behörde auf ihrem Telegram-Kanal bekannt.
Vieles deutet darauf hin, dass die Kämpfe um Kramatorsk genauso erbittert und für Zivilisten verlustreich sein werden wie in Mariupol. Am 8. April wurde der Hauptbahnhof von Kramatorsk während der Evakuierung der Einwohner mit einer mutmaßlichen ukrainischen Totschka-U-Rakete beschossen. 52 Menschen starben, mehr als hundert wurden verletzt. Die Ukraine und der Westen machten umgehend Russland für den Beschuss verantwortlich. Die von der Ukraine bislang nicht widerlegten Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass es sich um eine Attacke der Ukraine unter falscher Flagge handelte.
Derzeit findet die Erstürmung des letzten Zufluchtsorts der ukrainischen Asow-Einheiten auf dem "Asowstal"-Gelände in der Mariupoler Industriezone statt. Die neue Stadtverwaltung von Mariupol schätzt die Zahl der zivilen Opfer auf mehr als 5.000. Das geht im Wesentlichen zulasten der ukrainischen Armee, denn die Evakuierung der Zivilisten wurde durch den Befehl der ukrainischen Armee systematisch verhindert. Das schildern wiederum die geretteten Einwohner gegenüber Medien und Ermittlungsbehörden.
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