Bei einem Schusswechsel am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros ist laut griechischen Behörden am Samstagabend eine Migrantin durch eine Kugel getötet worden. Das teilte die griechische Polizei am Sonntag mit. Griechische Grenzschützer hätten demnach mit einer Nachtsichtkamera festgestellt, dass ein Schlauchboot von der türkischen Seite des Flusses ablegte. Sie hätten die Insassen über Lautsprecher dazu aufgefordert, in die Türkei zurückzukehren. Als vom Ufer der türkischen Seite einzelne Schüsse und danach Salven in unbekannte Richtung abgefeuert worden seien, hätten die griechischen Grenzschützer Deckung genommen und Warnschüsse in die Luft abgefeuert, teilte die Polizei weiter mit.
Vier Migranten konnten demnach das griechische Ufer erreichen. Die griechische Polizei entdeckte anschließend die Leiche einer Frau im Flusswasser. Sie hatte eine Schusswunde im Brustkorb. Die Tote soll gerichtsmedizinisch untersucht werden. Die Migranten gaben der Polizei zufolge an, dass sie einer Schleuserbande in Istanbul 2.000 Euro pro Kopf für die Überfahrt nach Griechenland und damit in die EU bezahlt hätten. Aus welchen Staaten die Migranten stammen, sei bislang noch unklar. Eine offizielle Stellungnahme türkischer Behörden zu dem Vorfall erfolgte zunächst nicht.
Am Grenzfluss Evros verläuft eine der Routen, über die Schleuserbanden Migranten aus der Türkei nach Griechenland und damit in die EU bringen. Der griechische Grenzschutz und die europäische Grenzschutzagentur Frontex überwachen die Region streng. Zudem hat Griechenland an vielen Stellen kilometerlange Grenzzäune errichtet. Seit Jahresbeginn haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks dennoch gut 1.000 Migranten die Grenze passiert. Im Jahr 2021 reisten gut 4.800 Menschen illegal ein, 2020 waren es knapp 6.000.
Athen protestiert derweil gegen die Flüge türkischer Kampfjets über den Ägäis-Inseln. Außenminister Nikos Dendias sagte der Athener Zeitung Kathimerini am Sonntag, dass die zahlreichen Überflüge der Kampfbomber eine eklatante Verletzung des Völkerrechts seien und nicht im Einklang mit den jüngsten Bemühungen um Entspannung zwischen Athen und Ankara stünden.
Türkische Kampfjets seien laut Athen demnach von Montag bis zum Karsamstag mehr als 200 Mal in den griechischen Luftraum eingedrungen. Mindestens 30 Mal sollen sie griechische Inseln in der Ägäis überflogen haben. Einige Flugzeuge seien in nur 460 Metern Höhe über griechische Eilande geflogen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis hatten sich im März in Istanbul nach langer Eiszeit zwischen den beiden NATO-Staaten getroffen und angekündigt, sie wollen die Spannungen in der Region verringern, um die Südostflanke der NATO angesichts des Ukraine-Krieges nicht zusätzlich zu belasten.
Die Türkei spricht Griechenland die Souveränität über etliche Inseln in der östlichen Ägäis ab, weil diese nicht entmilitarisiert sind. Entsprechende Mitteilungen hat die Türkei in den vergangenen Monaten bereits an die Vereinten Nationen versandt. Die Türkei argumentiert, eine Militarisierung der Inseln stehe nicht im Einklang mit den Verträgen von Lausanne (1923) und Paris (1947). Griechenland verweist dagegen auf die zahlreichen Landungsboote an der türkischen Westküste, die die Inseln bedrohen würden. Deshalb müssten die Inseln zur Verteidigung gerüstet sein. Aus Sicht der griechischen Regierung rechtfertigt die Charta der Vereinten Nationen diese Verteidigungsmaßnahmen.
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(dpa/rt)