Es war auch ein Prestigeprojekt von Olaf Scholz: die globale Mindeststeuer, für die er sich in der Rolle als Finanzminister starkgemacht hatte. Die lang vorbereiteten Pläne der EU zur Umsetzung der internationalen Mindeststeuer hat Polen mit seinem Vetorecht durchkreuzt.
Im vergangenen Jahr hatten sich 131 Länder weltweit auf einen Steuersatz von mindestens 15 Prozent für international tätige Unternehmen sowie auf eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte geeinigt, um den internationalen Steuerwettbewerb und die Steuerhinterziehung von Unternehmen einzudämmen.
Allein in Deutschland entgehen dem Fiskus nach Angaben des Netzwerks Steuergerechtigkeit jährlich durch die Gewinnverschiebung multinationaler Unternehmen etwa 30 Milliarden Euro, außerdem 10 Milliarden Euro durch illegale Vermögen in Schattenfinanzplätzen.
Alle EU-Mitgliedsstaaten hatten dem Steuerabkommen zugestimmt, daher hat die Europäische Kommission im Dezember einen Vorschlag vorgelegt, damit die Mindeststeuer EU-weit einheitlich umgesetzt wird. 2023 sollte die Reform in Kraft treten, wonach Konzerne mit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr nicht nur in ihrem Heimatland Steuern zahlen, sondern auch in den sogenannten Marktstaaten – dort, wo der meiste Umsatz anfällt –, sodass Schwellenländer höhere Einnahmen zu verzeichnen hätten.
Ein weiterer Teil der globalen Steuerreform sollte nach Angaben der Kommission später im Jahr mit einem Gesetzesvorschlag konkretisiert werden. Darin ging es um internationale Digitalkonzerne wie Apple, Facebook und Amazon, die demnach nicht nur im Heimatland besteuert werden sollten, sondern auch dort, wo sie tatsächlich Geschäfte betreiben.
Mit Verweis auf diese zweite Säule des Abkommens hat Polen von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht und darauf bestanden, beide Teile gesetzlich zu koppeln – auch wenn es nur für den ersten Teil mit den 15 Prozent bislang einen Gesetzestext in der EU gibt.
"Beide Säulen sollten als ein Gesamtpaket gehandhabt werden. Wir müssen an unserem Ziel festhalten, das internationale [Steuerabkommen] vollständig einzuführen, um die finanzpolitischen Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben", erklärte die polnische Staatssekretärin Magdalena Rzeczkowska. Feste Zusicherungen, dass der zweite Teil folgen werde, hätten der Regierung in Warschau nicht ausgereicht, erklärte der französische Finanzminister Le Maire am Dienstag.
Frankreich hat derzeit den Vorsitz des Finanzrats inne, konnte nun aber vor den Wahlen nicht mit einem Ergebnis punkten. Le Maire zeigte sich verärgert. Die Gründe, warum Polen das Gesetz abgelehnt habe, seien ein "Mysterium", sagte er. "Ich möchte ihnen einfach sagen, dass wir alle technischen Bedenken der Mitgliedsstaaten beantwortet haben". So hätten auch Estland, Malta und Schweden, die bis März noch Vorbehalte hatten, letztlich keine Einwände gehabt. Auch auf die Bedenken Polens habe man reagiert. "Es muss also einen anderen Grund geben, einen Grund, den ich nicht kenne", sagte Le Maire.
Damit deutete er an, ohne zu konkretisieren, was offenbar einige Stellen in Brüssel nun Warschau vorwerfen.Die EU-Kommission hatte Polen unter anderem wegen mangelnder Unabhängigkeit der polnischen Gerichte und anderen Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit beschlossen, EU-Mittel vorzuenthalten. Vor diesem Hintergrund hatte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro der rechtsgerichteten Partei Solidarna Polska bereits im Dezember vergangenen Jahres angedroht, dass Warschau sein Veto in allen EU-Angelegenheiten einlegen könnte, die Einstimmigkeit erfordern. Das ist bei Steuerthemen der Fall.
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