Überall sonst hätte dies in der Öffentlichkeit für eine Welle der Empörung gesorgt, in der Ukraine war es keinem eine Meldung wert. Am Morgen des 13. März 2022 blendet der landesweit ausgestrahlte Fernsehsender 24 live ein Foto von Adolf Eichmann ein, doch nicht für Bildungszwecke. Der Sprecher Fahrudin Scharafmal setzt zu einer Hasstirade an, die selbst für ukrainische Verhältnisse scharfer Tobak ist. Er sei sich bewusst, dass er dies als Journalist nicht dürfe, sagt er. Doch falle es ihm schwer, sich zurückzuhalten, und darum:
"Wenn man uns in Russland schon Nazis und Faschisten nennt, dann erlaube ich mir, Adolf Eichmann zu zitieren. Er sagte, dass man die Kinder töten müsse, um eine Nation zu vernichten. Denn töte man nur die Erwachsenen, wüchsen die Kinder auf und rächten sich. Töte man die Kinder, würden sie niemals erwachsen, und die Nation gehe unter."
Die ukrainische Armee, fährt Scharafmal fort, dürfe die Kinder nicht töten, "Konventionen, Genfer und so", verböten dies. Sich jedoch sieht er damit im Recht:
"Aber ich bin kein Soldat. Und wenn sich mir die Gelegenheit bietet, mich an den Russen zu rächen, dann werde ich es tun und mich dabei an die Eichmann-Doktrin halten. Ich werde alles tun, damit weder ihr noch eure Kinder jemals auf dieser Erde leben."
Ihm sei egal, wer diesen Krieg begonnen und gewollt habe, ob es Schuldige oder Unbeteiligte treffe:
"Auch wir wollten diesen Krieg nicht. Aber nun, müsst ihr verstehen, geht es um den Sieg des ukrainischen Volkes, nicht um den Frieden. Wir brauchen den Sieg, und wenn man dafür alle eure Familien abschlachten muss, dann werde ich einer der ersten sein, die es tun. Ruhm der Nation! Und hoffentlich wird es eine solche Nation wie Russen auf diesem Planeten nie mehr geben. Die Russen sind Dreck, die den Planeten vermüllen. Und wenn die Ukrainer die Möglichkeit haben – und dies tun sie jetzt schon – Russen zu erschießen, zu erstechen, zu erwürgen, hoffe ich, dass jeder seinen Beitrag leistet und mindestens einen Russen umbringt."
Soweit die Brandrede des Fahrudin Scharafmal, ausgestrahlt in alle Teile der Ukraine. Ein emotionaler Ausrutscher?
Niemand schreitet bei dieser Tirade ein, obwohl eben noch eine Co-Moderatorin neben ihm saß. Niemand unterbricht die Livesendung. Mehr noch: Irgendjemand in der Regie muss das Eichmann-Foto ja eingeblendet haben. Die Sympathie für Eichmanns Methoden ist jedenfalls eines nicht: Das Denken eines Einzelnen.
Konsequenzen hat der Vorfall keine. Die Google-Suche jedenfalls ergibt mit Stand Dienstag Abend keinerlei Reaktion. Weder auf Ukrainisch noch auf Russisch. Zweit Tage später entschuldigt sich Scharafmal. Kurz und lächelnd. Und macht gleich eine Ausnahme: Für die Russen auf ukrainischem Boden gelte sein Dementi nicht.
Otto Adolf Eichmann war SS-Obersturmbannführer und leitete jene Dienststelle, die die Verfolgung, Vertreibung und Deportation der Juden organisierte und durchführte. Zuletzt die Deportation in die Todeslager. Nach 1945 gelang ihm die Flucht nach Argentinien. Er entging damit dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, die Gerechtigkeit jedoch ereilte auch ihn. Im Mai 1960 wurde er von israelischen Agenten aus Argentinien entführt und nach Israel gebracht, wo ihm ein öffentlicher Prozess gemacht wurde. Er wurde zum Tode verurteilt und in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 durch Hängen hingerichtet.
Scharafmal droht in der post-Maidan-Ukraine hingegen nicht einmal eine Geldstrafe wegen Volksverhetzung.
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