Die ungarische Regierung hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) am Mittwochabend politische Vorurteile und Machtmissbrauch vorgeworfen, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Zuvor hatte das EU-Gericht die Klagen von Ungarn und Polen gegen finanzielle Sanktionen Brüssels abgewiesen.
Ende 2020 hatte die Europäische Union eine Regelung angenommen, die es der EU-Kommission erlaubt, finanzielle Zuwendungen an Mitgliedsstaaten zu kürzen, sollten diese gegen die Rechtstaatlichkeitskriterien des Staatenblocks verstoßen.
Im März letzten Jahres hatten Ungarn und Polen gegen den Plan Brüssels, jene Regelung gegen beide osteuropäische Staaten anzuwenden, vor dem EuGH geklagt, am Mittwoch jedoch entschied das Gericht zugunsten Brüssels.
Ungarns Justizministerin Judit Varga kritisierte das Urteil in einem Facebook-Post:
"Die Entscheidung ist ein lebendiger Beweis dafür, dass Brüssel seine Macht missbraucht."
Der EuGH habe eine "politische Entscheidung" getroffen angesichts des anstehenden ungarischen Referendums über "Kinderschutz". Dabei bezog sie sich auf ein im letzten Jahr beschlossenes ungarisches Gesetz, das die Werbung für Homosexualität gegenüber Minderjährigen verbietet und auf eine von der Regierung initiierte Volksabstimmung über die LGBTQ-Rechte, die zeitgleich zu den Parlamentswahlen am 3. April stattfinden soll.
Varga erklärte:
"Das Urteil ist eine weitere Druckausübung auf unser Land, weil wir im Sommer unser Kinderschutzgesetz verabschiedet haben."
Brüssel könne nicht akzeptieren, dass die ungarischen Bürger beim Referendum ihre freie Meinung äußern würden, sagte Varga der Budapester Zeitung zufolge. Es habe vor vier Jahren bei der Migrationskrise ein ähnliche Situation gegeben. Diese Debatte sei durch die ungarischen Parlamentswahlen, bei der die Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán siegte, beendet worden: Varga betonte:
"Auch in Sachen Migration hat die ungarische Lösung gesiegt."
Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás sagte, dass das beabsichtigte Referendum zum sogenannten Kinderschutzgesetz die "demokratischste Lösung" sei. Zudem spielte der ungarische Regierungsvertreter die Bedeutung des Urteils herunter. Nur im Falle, dass die Opposition bei den Wahlen gewinnen werde, würden Ungarn wirklich finanzielle Sanktionen drohen, nicht jedoch, sollte erneut Orbáns Fidesz-Partei gewinnen. Auch pries er den Erfolg der ungarischen Regierung bei der Abrufung von EU-Geldern.
Kritiker werfen der ungarischen Regierung vor, mit den rechtlichen Initiativen Diskriminierung gegen LGBTQ-Menschen zu fördern.
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