Russland wolle über die Sicherheit in Europa ohne die EU verhandeln. Dies sei absurd, so der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell in einem Interview mit der Welt. Er erklärte:
"Die Forderungen nach Sicherheitsgarantien und ein Ende der Erweiterung von EU und NATO im Osten ist eine rein russische Agenda mit völlig unannehmbaren Bedingungen, vor allem mit Blick auf die Ukraine."
Laut Borrell war dies das erste Mal, dass die russische Seite ihre Aufforderung schriftlich formulierte, was bisher noch nie vorgekommen sei. Gleichzeitig sagte der höchste Diplomat der EU:
"Das machen nur Sieger: Zu sagen, dies und das sind meine Bedingungen."
Borrell betonte, dass die EU in die Verhandlungen über die Sicherheit in Europa einbezogen werden sollte. Solche Konsultationen seien nur dann sinnvoll, wenn sie in enger Zusammenarbeit mit der EU und unter ihrer Beteiligung stattfänden. Der Diplomat erörterte:
"Russland will über die europäische Sicherheitsarchitektur verhandeln, ohne die Europäische Union einzubeziehen – das ist absurd. Wir werden das nicht akzeptieren. Nichts wird über uns entschieden, ohne dass wir dabei sind."
Borrell ist überzeugt, dass sich die Verhandlungen mit Russland nicht auf die Ukraine und die Nichterweiterung des Nordatlantischen Bündnisses beschränken sollten. Er erklärte:
"Wir sollten über alle Vertragsverletzungen seit Verabschiedung der Schlussakte von Helsinki im Jahr 1975 reden."
Der Leiter der EU-Diplomatie fügte hinzu, dass Brüssel mit vielen Aspekten der russischen Außenpolitik sowie mit einigen Entwicklungen, die Moskau als seine inneren Angelegenheiten betrachtet, nicht einverstanden ist – insbesondere mit der Menschenrechtslage im Lande.
Auf die Frage, ob Russland einen Angriff auf die Ukraine plane, sagte Borrell, dass eine solche Option nicht auszuschließen sei, es aber auch andere mögliche Szenarien gebe. Als mögliche Szenarien nannte er die Destabilisierung der ukrainischen Regierung durch hybride Taktiken, eine zunehmende Eskalation zwischen dem ukrainischen Militär und den Separatisten im Donbass sowie Druck auf Europa durch die Einschränkung der Gaslieferungen.
Mitte Dezember übergab Russland den USA einen Vertragsentwurf über Sicherheitsgarantien und ein Abkommen über Sicherheitsmaßnahmen zwischen Russland und den NATO-Ländern. Zu den Vorschlägen Moskaus gehören eine Vereinbarung über die Nichterweiterung des Bündnisses nach Osten, ein Verbot des Beitritts ehemaliger Sowjetstaaten und ein Verbot militärischer Aktivitäten auf deren Territorium.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schlug vor, Sicherheitsgarantien auf der Sitzung des Russland-NATO-Rates am 12. Januar zu erörtern. Er erklärte, das Bündnis sei zum Dialog mit Russland bereit, werde aber keine Kompromisse eingehen, wenn es um das Recht der Ukraine gehe, die Mitgliedschaft zu beantragen.
Wladimir Tschischow, der ständige Vertreter Russlands bei der EU, hatte bereits erklärt, dass die EU als nichtmilitärische Organisation eine unterstützende Rolle bei den Verhandlungen über Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO spielen könnte.
Mehr zum Thema - EU strebt engere Beziehungen zu ehemaligen Sowjetrepubliken an