"Jedwede Provokationen seitens der ukrainischen Regierung zwecks einer gewaltsamen Regelung der Probleme des Donbass werden unterbunden."
Dies teilte Waleri Gerassimow – Armeegeneral und Leiter des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation und deren erster Vize-Verteidigungsminister – mit. Gerichtet war die Information an ausländische Militärattachés, die eigens dafür zu einer Informationsveranstaltung am 9. Dezember 2021 geladen wurden. In voller Länge (zitiert von der russischen Nachrichtenagentur EurAsia Daily) lautete die relevante Passage so:
"Lieferungen von Hubschraubern, unbemannten Fluggeräten und Flugzeugen [aus dem Westen] stacheln die ukrainische Regierung zu raschen und unüberlegten Schritten an. Kiew setzt die Minsker Abkommen nicht um. Ukrainische Streitkräfte verkünden, im Donbass den Einsatz der Panzerabwehr-Lenkwaffensysteme 'Javelin' begonnen zu haben, die ihnen von den USA geliefert wurden, und benutzen dort Aufklärungs- und Angriffsdrohnen aus türkischer Herstellung."
Besagte Javelin-Panzerabwehrlenkflugkörper wurden bereits, will man Reportern des australischen Senders ABC glauben, ins Frontgebiet gebracht – obwohl noch im Jahr 2018 der stellvertretende Minister Georgi Tuka "zu Belangen vorübergehend besetzter Gebiete" gegenüber Medien erklärte, die USA hätten sie bei der Lieferung nicht für den Einsatz an der Kontaktlinie (so wie sie damals verlief und heute noch aktuell ist) freigegeben.
Demgemäß setzte Gerassimow fort:
"Infolgedessen verschärft sich die ohnehin hochbrisante Lage im Osten [der Ukraine]. Doch jedwede Provokationen der ukrainischen Regierung zwecks gewaltsamer Regelung der Probleme des Donbass werden unterbunden."
Ebenso resolut wie der obige Teil der Nachricht erklang, wies der Vize-Verteidigungsminister auch jedwede Schuld an der darin beschriebenen Entwicklung von Russland ab. Man beachte hierbei vor allem den bewusst zackigen Tonfall, dazu mit militärischem Vokabular gewürzt:
"Seitens NATO-Staaten wird Truppenverlegungen innerhalb Russlands übermäßige Beachtung geschenkt. Neudislozierung von Einheiten im Laufe von Kampfvorbereitungen sind Routinepraxis für Streitkräfte eines jeden Staates. [Diese] Militärischen Aktivitäten erfolgen auf nationalem Gebiet und bedürfen keiner Benachrichtigung. Die in Massenmedien verbreitete Information über einen angeblich in Vorbereitung befindlichen Einfall Russlands in die Ukraine stellt eine Lüge dar."
Die Umstände der Äußerung – ein Briefing für ausländische Militärattachés –, aber auch der Urheber der Nachricht und ihre Sollempfänger sowie nicht zuletzt der Ton (allein aus dem Ausdruck "Kampfvorbereitung" könnten Nichtrussen durchaus mehr heraushören als nur die eigentliche Bedeutung "Kampfausbildung und -übung") lassen aufhorchen.
Aussagen aus Moskau mit ähnlichem Gehalt ertönten in der Vergangenheit bereits – auch in der letzten Zeit. Russlands Außenminister Sergei Lawrow etwa bekräftigte die Warnung, die sein Chef bei einem erweiterten Kollegium des russischen Außenamtes anbrachte – Russland dürfe ein militärisches Abenteuer Kiews nicht ausschließen und alles Notwendige werde getan, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten. Diese letzte Passage ruft zuallererst den Aspekt einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vor das geistige Auge, die nach einer gewaltsamen Auflösung der Volksrepubliken und damit nach nominalem Wegfall innerer territorialer Streitigkeiten möglich wäre: Die US-Systeme zur Raketen"abwehr" der Typen Aegis Ashore und THAAD, so die Befürchtung Russlands, würden dann in kürzester Zeit in der Ukraine stationiert und damit Russland deutlich verwundbarer machen.
Dies wäre nicht nur oder nicht in erster Linie dem deklarierten Zweck der Systeme geschuldet, sondern der Tatsache, dass Aegis Ashore unter anderem für Angriffe mit Tomahawk-Marschflugkörpern ausgelegt ist, die es dank den Startanlagen VLS Mark 41 ohne größeren Aufwand aufnehmen und verschießen kann.
An das Schicksal des Donbass denkt man bei dieser Aussage nur, weil man weiß, dass dessen zahlreiche Bewohner nun auch die russische Staatsbürgerschaft haben.
Schon eher auf die Sicherheit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk bezogen kommentierte Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow dessen Versprechen von den "noch nicht anerkannten Republiken" im Südosten der Ukraine – auf eine zwar vage, aber doch auch verheißungsvolle Weise.
Nun jedoch spricht mit dem Vize-Verteidigungsminister General Waleri Gerassimow der russische Militär mit dem höchsten Posten (gleich nach seinem Vorgesetzten Sergei Schoigu), der dabei aber noch als gleichzeitiger Generalstabsleiter eine operative Kontrolle über das Kriegsgeschehen vorsieht. Auch konzentriert sich die Nachricht einerseits auf die Lage im umkämpften Donbass – und auf Versuche seitens der Kiewer Regierung, den Konflikt gewaltsam zu Lasten der beiden Volksrepubliken zu lösen, Versuche, die unterbunden werden würden.
Dies alles lässt die Nachricht zweifellos als ernstzunehmende Warnung werten: einerseits an Kiew, von jeglichen derartigen Versuchen abzusehen – und andererseits an den kollektiven Westen, die ukrainische Regierung sowohl jetzt von derartigen Vorhaben abzuhalten als auch in Zukunft dahingehende Kriegszündelei (ob materieller oder sonstiger Art) zu unterlassen.
Kiew fährt schwere Geschütze auf
Unterdessen zieht das ukrainische Militär weitere schwere Artillerie zum Konfliktgebiet zusammen. Hierzu äußerte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa mit Verweis auf Berichte der OSZE-Beobachtungssondermission auf einem Pressebriefing am 9. Dezember Besorgnis. Hier ein Zitat der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti:
"Die Beobachtungssondermission der OSZE stellt die eilige Verlegung schwerer Waffensysteme durch Kiew in den Osten [der Ukraine], einschließlich schwerer Artillerie und Panzerfahrzeuge; der Einsatz von Drohnen wird fortgesetzt."
Vor einer Woche hatte das russische Außenministerium bereits von der Konzentration ukrainischer Truppen nahe der Konfliktlinie im Donbass gewarnt: Das Aufgebot mit einer Mannstärke von 125.000 entspricht etwa der Hälfte der Gesamtmannstärke der ukrainischen Streitkräfte.
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