In der westukrainischen Stadt Lwow haben Archäologen unterirdische Kammern entdeckt, in denen jüdische Familien der Ermordung durch die Naziwehrmacht und ihre ukrainischen Verbündeten entgangen waren.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Stadt Lwow zu einem Drittel von Polen, einem Drittel von Ukrainern und einem Drittel Juden bewohnt. Als die Wehrmacht 1941 zusammen mit dem ukrainischen Bataillon Nachtigall einmarschierte, begann ein tagelanges Massaker. Wenige der ursprünglich 100.000 jüdischen Einwohner überlebten.
In einem polnischen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2011 erzählen einige dieser Überlebenden, wo sie sich versteckt hatten und wie sie von Arbeitern der Kanalisation dort versorgt wurden. Eine Gruppe ukrainischer Archäologen wurde durch diesen Film darauf gebracht, nach diesen Verstecken zu suchen.
Die Familie Chiger, von der der polnische Film erzählt, hatte einen Tunnel vom Ghetto in die Kanalisation gegraben, durch 90 Zentimeter dicken Beton, heimlich, mit einem in einen Lappen gehüllten Hammer, um die Geräusche zu dämpfen. Die Chigers schrieben später ein Buch darüber, das Grundlage des Films wurde. Die Archäologen folgten den Beschreibungen des Buchs zu den Verstecken.
Im Juli entdeckte die Forschergruppe eine kleinere Kammer, in der sich die Flüchtenden vermutlich in der ersten Nacht außerhalb des Ghettos hatten verbergen können, ehe sie in ein größeres Versteck in der Kanalisation weiterzogen.
Jetzt entdeckten sie unter dem Platz der Kathedrale auch dieses. "Der Eingang war nach links und nach rechts von Steinblöcken verdeckt, sodass die Kammer isoliert blieb", sagte Hanna-Melania Tychka, eine Archäologin, örtlichen Medien. Die Kammer wurde im Mittelalter gebaut und später durch die Kanalisation isoliert und vergessen. "Sie konnte viele Leute aufnehmen, und wir fanden klare Belege, dass sich dort Menschen vor den Nazis versteckten."
Dies waren unter anderem ein verrosteter Teller, die Figur eines Schafs und Spuren von Karbid, das zur Beleuchtung genutzt worden war, außerdem Glassplitter, die zwischen die Steine des Gemäuers gesteckt wurden, um Ratten vom Essen fernzuhalten.
Von der anfänglich 21 Personen umfassenden Gruppe überlebten nur zehn, weil einige Mitglieder der Gruppe das Leben in der Dunkelheit nicht mehr ertrugen. Der Sohn einer Überlebenden, David Lee Preston, erzählte, ein Säugling, der dort unten geboren worden war, habe erstickt werden müssen, damit sein Schreien die Gruppe nicht verriet. Als die Rote Armee Lwow im Juli 1944 befreite, konnten sie ihr Versteck verlassen.
Mehr zum Thema - Steinmeier, Babi Jar und die Geschichtsfälscher