Wegen Corona-Krise: Renten in Großbritannien steigen deutlich geringer als versprochen

Anstatt der dem Wahlprogramm entsprechenden 8,8 Prozent plus für britische Rentner gibt es für die Jahre 2022/23 jetzt nur eine Erhöhung um 2,5 Prozent. Damit bricht die britische Tory-Regierung ein zweites Wahlversprechen – bereits am Dienstag kündigte Premier Boris Johnson Steuererhöhungen an.

Das wird vielen älteren Wählern von Boris Johnsons regierender Conservative Party nicht gefallen. Am Dienstag verkündete die Ministerin für Arbeit und Renten, Therese Coffey, dass die staatliche Rente 2022/23 nicht im Einklang mit dem Einkommen steigen wird, wie im Wahlkampf 2019 versprochen wurde. Anstatt der dem Wahlprogramm entsprechenden 8,8 Prozent plus für britische Rentner gibt es für die Jahre 2022/23 jetzt nur eine Erhöhung von 2,5 Prozent, wie der Independent berichtet.

Die sogenannte "Triple Lock" ist der Begriff für das Versprechen der Regierung, die staatliche Rente entsprechend dem höchsten Wert des durchschnittlichen Lohnwachstums, der Inflationsrate oder 2,5 Prozent pro Jahr zu erhöhen. Diese Regelung ist seit 2011 in Kraft.

Stagnierten die Löhne in Großbritannien seit der Finanzkrise 2008 auf einem niedrigen Niveau, kam es in den letzten Monaten auch inflationsbedingt zu hohen Lohnsteigerungen. 

Coffey sagte, dass die Lohnsteigerungsrate daher in diesem Jahr nicht berücksichtigt werde, da sie zu hoch sei. Sie betrachtet einen erwarteten Anstieg des Einkommens um 8,8 Prozent als "einen unregelmäßigen statistischen Anstieg", der durch die Coronavirus-Pandemie verursacht wurde, und sagte:

"Zu einer Zeit, in der wir harte Entscheidungen zur Wiederherstellung der öffentlichen Finanzen getroffen haben, die sich auf die arbeitenden Menschen auswirken, wie die Erhöhung der Einkommenssteuer auf das derzeitige Niveau, wäre dies nicht gerecht."

Kritik kam prompt von der Opposition. Jonathan Reynolds, Shadow Secretary of State for Work and Pensions (Labour Party), sagte:

"Ich lehne die Darstellung dieses Themas als Quelle von Spannungen zwischen den Generationen oder Ungerechtigkeit ab, weil wir alle ein Interesse daran haben, dass es in Zukunft eine angemessene staatliche Rente gibt. Wir sollten die längere Lebensdauer nie als Problem darstellen."

Die staatlichen Renten im Vereinigten Königreich sind nicht so großzügig wie in anderen europäischen Ländern, wie Wales.online berichtet. Berechnungen der OECD ergaben im Jahr 2019 beispielsweise, dass die staatliche Rente des Vereinigten Königreichs für einen Durchschnittsverdiener 28,4 Prozent des früheren Einkommens ersetzte.

Dem steht eine durchschnittliche Nettoersatzrate von 63,5 Prozent für die Europäische Union insgesamt und 58,6 Prozent für die OECD-Mitgliedsstaaten gegenüber.

Allerdings weist die House of Commons Library darauf hin, dass die Nettoersatzrate des Vereinigten Königreichs auf 61 Prozent ansteigt, wenn freiwillige Einkommensquellen wie betriebliche Altersvorsorge berücksichtigt werden.

Wie in vielen anderen Staaten hat die Corona-Krise auch in Großbritannien die soziale Ungleichheit verschärft. Die enorme Staatsverschuldung geht nun neben Verbrauchern und Arbeitnehmern auch zulasten der Rentner. 

Die Politik ist das zweite gebrochene Tory-Wahl-Versprechen vom Dienstag, nachdem Boris Johnson angekündigt hatte, die Steuern zur Finanzierung der Gesundheits- und Sozialfürsorge zu erhöhen. Die Spannungen im ohnehin angeschlagenen Gesundheitswesen drohen, sich weiter zu verschärfen: Nicht nur die schlechte Bezahlung und die langen Schichten machen die Arbeit im Gesundheitssystem wenig attraktiv – auch die Corona-Politik treibt zahlreichen Pflegekräfte zur Kündigung.

Denn die ab November gültige "No jab, no job – keine Impfung, kein Job"-Regelung führt derzeit dazu, dass nach Schätzungen bis zu 68.000 Beschäftigte, die sich nicht impfen lassen wollen, ihren Job an den Nagel hängen könnten, wie report24 berichtet. Bereits vor der "Corona-Krise" wurde von einem Mangel von 120.000 britischen Pflegekräften ausgegangen.

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