Für die Dauer von 30 Tagen hat Polen am Donnerstag einen Ausnahmezustand an der Grenze zu Weißrussland verhängt. Mit der Unterzeichnung des Dekrets durch Präsident Andrzej Duda trat er am gleichen Tag in Kraft. "Die Situation an Polens Grenze zu Weißrussland ist schwierig und gefährlich", sagte ein Sprecher des Präsidialamtes.
In einem drei Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze, in dem 183 Ortschaften liegen, gilt ein Verbot von Versammlungen und großen Veranstaltungen. Der Zugang zu Informationen wird eingeschränkt.
Medienvertreter müssen außerhalb der Grenzzone bleiben, erklärte Innenminister Mariusz Kamiński. Das Fotografieren von Soldaten, Grenzschützern und Polizisten sowie ihrer Ausrüstung ist verboten. Ab Freitag müssen alle Personen den Grenzstreifen verlassen, die mit dem Gebiet weder privat noch beruflich verbunden sind.
Mit dem Ausnahmezustand verschärft Polen sein Vorgehen gegen die Migration aus Richtung Osten. Die Regierung bezeichnet Flüchtlinge als "illegal". Nach ihrer Darstellung "treibt" Weißrussland Migranten und Flüchtlinge u.a. aus Afghanistan an die Grenze zu Polen. Polen sieht sich dabei auch als Verteidiger der EU-Außengrenzen.
Minister Kamiński nannte als weiteren Grund für die Verhängung des Ausnahmezustandes ein Manöver der Armeen Weißrusslands und Russlands, das ab 10. September im Westen Weißrusslands stattfinden solle. Man müsse auf jede Art von Provokation gefasst sein. "Auf der anderen Seite der Grenze werden sehr gefährliche Menschen mit Feuerwaffen und Munition unterwegs sein."
In Polen ist der Ausnahmezustand jedoch umstritten. Zuletzt stand das Schicksal einer Gruppe von Flüchtlingen aus Afghanistan im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, die seit gut drei Wochen in der Nähe des Grenzorts Usnarz Górny festsitzen. Polnische Grenzschützer, Polizisten und Soldaten haben das Lager abgeriegelt und lassen die Flüchtlinge nicht ins Land. Die nationalkonservative PiS-Regierung ist für ihre harte Haltung in der Flüchtlingsfrage bekannt.
Der ehemalige Präsident Aleksander Kwaśniewski kritisierte, die PiS-Regierung habe sich sogar auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie geweigert, den Katastrophenzustand auszurufen. Jetzt sei der wahre Grund für den Ausnahmezustand, dass man den Zugang von Journalisten, Helfern und Vertretern internationaler Organisationen beschränken könne, um ohne öffentliche Kontrolle zu agieren.
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(rt/dpa)