Litauen: Gesetzesänderung ermöglicht Massenverhaftung von Migranten

Wegen der steigenden Zahl illegaler Einwanderer hat das litauische Parlament die rechtliche Grundlage für die Masseninhaftierung von Migranten geschaffen. Dieser Schritt soll vor allem Asylbewerber abschrecken, die die Grenze von Weißrussland aus überqueren. Litauen wirft Minsk eine "hybride Aggression" vor.

Vierundachtzig Abgeordnete haben den Gesetzesentwurf unterstützt, es hat nur eine Gegenstimme und fünf Enthaltungen gegeben. Das Gesetz wurde trotz der Kritik von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und des Roten Kreuzes verabschiedet. Sie werfen der litauischen Regierung vor, internationale Verpflichtungen und die Rechte der Migranten zu verletzen.

Litauische und EU-Beamte beschuldigen Weißrussland, illegale Migranten als politische Waffe zu nutzen, um Druck auf die Europäische Union auszuüben. Das gilt als Gegenreaktion auf die von der EU verhängten Sanktionen gegen Minsk. Mehr als 1.700 Menschen sind in diesem Jahr schon aus dem Nicht-EU-Land nach Litauen eingereist, allein 1.100 im Juli.

Die litauische Premierministerin Ingrida Šimonytė sagte, die Festnahmepolitik würde Migranten daran hindern, illegal in den wohlhabenderen Westen der EU weiterzureisen. Das sei das bevorzugte Ziel der großen Mehrheit der Migranten, die in den letzten Jahren EU-Territorium erreichten.  Innenministerin Agnė Bilotaitė erklärte, das neue Gesetz solle "eine Botschaft an Iraker und andere senden, dass dies keine bequeme Route ist. Die Bedingungen werden hier nicht gut sein". Sie stellte klar, dass solche Migranten "keine echten Asylbewerber" seien.

Die am Dienstag verabschiedeten Gesetzesänderungen wurden von Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Die Regierung in Vilnius hält sie jedoch für notwendig, um die gespannte Lage an der Grenze zu Belarus unter Kontrolle zu bekommen. Das Kabinett hatte zuvor bereits den Notstand verhängt, um leichter und schneller reagieren zu können.

"Hybride Aggression"

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko drohte der EU wiederholt damit, als Reaktion auf die gegen Minsk verhängten Sanktionen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten passieren zu lassen. Besonders stark davon betroffen ist Litauen, das eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus hat. Das Parlament verabschiedete am Dienstag zudem eine Entschließung, in der der Zustrom an illegal die Grenze überschreitenden Migranten aus Belarus als "hybride Aggression" bezeichnet wird. Demnach zielten die organisierten Migrationsströme darauf ab, die Lage in Litauen zu destabilisieren. Die Regierung solle daher schnellstmöglich den Schutz der Staatsgrenze verstärken, heißt es in der Erklärung.

Regierungschefin Šimonytė sprach indessen von einer "besonderen Herausforderung". Angesichts des anstehenden russisch-belarussischen Großmanövers "Sapad" müsse die illegale Migration besonders ernst genommen und als Bedrohung der nationalen Sicherheit betrachtet werden. Russland will die Militärübung im September gemeinsam mit Weißrussland in der Nähe der litauischen Grenze abhalten.

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