Der russische Präsident hob in einem Artikel mit dem Titel "Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern" hervor, dass in den letzten Jahren zwischen Russland und der Ukraine eine Mauer entstanden sei, die eigentlich denselben historischen und mentalen Raum teilt. Putin nannte dies eine Tragödie und stellte fest, dass dieser Konflikt auf zahlreiche Fehler im Laufe der Geschichte sowie auf die zielgerichtete Arbeit jener Kräfte zurückzuführen sei, die immer wieder versucht hätten, die Einheit zu untergraben.
Doch Russen, Ukrainer und Weißrussen seien die Erben des Großreichs Kiewer Rus und damit durch die altrussische Sprache, die Dynastie der Rurikiden und einen gemeinsamen Glauben vereint, so Putin.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe das moderne Russland die neuen geopolitischen Realitäten erkannt und viel dazu beigetragen, die Ukraine zu einem unabhängigen Land zu machen. "In den schwierigen 90er-Jahren und im neuen Jahrtausend haben wir die Ukraine maßgeblich unterstützt", schrieb der russische Staatschef. "Die Ukraine und Russland entwickelten sich seit Jahrzehnten, Jahrhunderten, als ein einheitliches Wirtschaftssystem. Um die tiefe Zusammenarbeit, die wir vor 30 Jahren hatten, könnten uns heute die EU-Länder beneiden."
In Bezug auf die aktuelle Situation stellte er fest, dass sich die positiven Folgen für Kiew auf mehrere Dutzend Milliarden US-Dollar belaufen würden, wenn es heute noch wirtschaftliche Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gäbe.
Nach dem Zerfall der UdSSR sei das wirtschaftliche Potenzial der Ukraine beträchtlich gewesen, führte Putin aus. Als Beispiel nannte er eine leistungsstarke Infrastruktur, ein gutes Gastransportsystem, den Schiff- und Flugzeugbau, die Raketentechnik, Wissenschafts- und Ingenieurschulen. Und obwohl ukrainische Politiker bei der Ankündigung ihrer Unabhängigkeit versprochen hätten, die Wirtschaft zu einer der führenden in Europa zu machen, sehe die Lage heute nicht so rosig aus, schrieb Putin. So seien Konzerne, auf die man einst stolz gewesen sei, lahmgelegt. Die Ukraine sei derzeit das ärmste Land Europas, in dem das BIP pro Kopf niedriger als in Albanien, Moldawien und dem Kosovo ist. Schuld daran sei allerdings nicht das Volk, sondern die Spitzenbeamten des Landes:
"Wer ist daran schuld? Die Ukrainer? Natürlich nicht. Es waren die ukrainischen Behörden, die die Errungenschaften vieler Generationen vergeudeten. Wir wissen, wie fleißig und talentiert die Menschen in der Ukraine sind."
Putin kritisierte auch den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij. Obwohl er vor den Wahlen Frieden versprochen habe, habe sich dieses Versprechen als eine Lüge herausgestellt. Zum Besseren habe sich nichts geändert, nur die Lage im Donbass habe sich verschlechtert, bemängelte er. Selenskij habe sein Land komplett unter Verwaltung von außen gebracht.
Die Versuche, die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine zu destabilisieren, habe es noch vor dem Jahr 2014 gegeben, so Putin. Die USA und die EU sollen die Ukraine schon länger dazu gedrängt haben, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland einzuschränken. Der Westen soll wiederholt russische Dialogvorschläge abgelehnt haben, als man angeboten habe, alle Probleme im Format Ukraine-Russland-EU zu erörtern. "Man hat uns jedes Mal gesagt, dass Russland damit nichts zu tun hat, dass das nur die EU und die Ukraine betrifft", schrieb der russische Staatschef. Die Ukraine sei schrittweise in ein gefährliches geopolitisches Spiel hineingezogen worden, mit dem Ziel, zu einer Barriere zwischen Europa und Russland zu werden.
Putin hob hervor, dass die Ukraine sich jetzt gerne auf den Westen bezieht und ihn als Vorbild sieht. Die westlichen Nachbarländer behandelten einander jedoch mit Respekt und Offenheit, so Putin:
"Schauen Sie, wie Österreich und Deutschland, wie die USA und Kanada nebeneinanderleben. Sie haben eine ähnliche ethnische Zusammensetzung, Kultur, faktisch eine Sprache, und bleiben dennoch souveräne Staaten, mit ihren eigenen Interessen, mit ihrer eigenen Außenpolitik. Das hindert sie aber nicht an einer sehr engen Integration und an Bündnisbeziehungen. Sie haben sehr bedingte, transparente Grenzen. Und Bürger, die diese Grenzen überqueren, fühlen sich zu Hause."
Zum Schluss resümierte Putin: "Russland war und wird nie gegen die Ukraine sein. Und was die Ukraine werden soll – das sollen ihre Bürger entscheiden."
Beim sogenannten "direkten Draht", einer Fragestunde mit den Bürgern Russlands, hatte Putin Ende Juni versprochen, einen analytischen Artikel über russisch-ukrainischen Beziehungen zu verfassen. Dabei hatte er betont, dass er das russische und das ukrainische Volk als ein Ganzes betrachtet. Er brachte außerdem die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich Bürger beider Länder den Text ansehen werden.
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