Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko äußerte sich am Mittwoch zur Entscheidung, das Ryanair-Passagierflugzeug umzuleiten, und wehrte sich gegen die weit verbreiteten Anschuldigungen, die von der Opposition des ehemaligen sowjetischen Satellitenlandes, aber vor allem von westlichen Führungspersönlichkeiten kamen, dass seine Sicherheitsdienste an einer "staatlichen Entführung" des Flugzeugs mit dem Aktivisten und Blogger Roman Protassewitsch beteiligt waren.
Die Ankündigung zusätzlicher Sanktionen durch die EU und die USA folgten zügig, nachdem Protassewitsch und seine Freundin unter dem Vorwurf der Anstiftung zum Aufstand und der Online-Veröffentlichung von persönlichen Daten von Polizisten und Staatsbediensteten festgenommen worden waren. Der staatlichen Fluggesellschaft Belavia droht zudem ein Flugverbot über Europa, und Fluggesellschaften aus der EU vermeiden es, Weißrussland zu überfliegen.
Anstatt die Angelegenheit zu verheimlichen oder die Festnahme herunterzuspielen, die die Aufmerksamkeit der internationalen Medien und die Empörung auf sich gezogen hat, ging Lukaschenko in die Offensive und schlug auf seine Kritiker ein. Zugleich rechtfertigte er die Festnahme Protassewitschs, indem er ihn einen "Extremisten" nannte, der in seinem Aktivismus und Journalismus letztlich Hinweise von einer ausländischen Entität aufnahm, oder sogar "Aufwiegelung" – wie ihm vorgeworfen wird. Lukaschenko sagte laut der weißrussischen Zeitung Sewodnja:
"Ein Extremist mit seiner Komplizin. Seine zahlreichen westlichen Gönner sollen diese Frage beantworten: Für welche Geheimdienste hat diese Person gearbeitet? Nicht nur er, sondern auch seine Komplizin. Diese westlichen Gönner sollten noch eine weitere Frage beantworten: Wer hat ihn dafür bezahlt, dass er sich am Krieg im Donbas beteiligt hat? Vielleicht fürchten sie dies am meisten. Also machen sie einen Aufstand. Seine Erfahrung als Söldner ist eine große Sache."
Heftig umstritten sind die Berichte in weißrussischen und osteuropäischen Medien, wonach Protassewitsch auf dem Höhepunkt der dortigen Kämpfe im Jahr 2015 tatsächlich im kriegsgebeutelten Donbass in der Ukraine gewesen sei. In einem Bericht des britischen Nachrichtensenders BBC heißt es:
"Protassewitsch bestätigte in einem Interview im vergangenen Jahr, dass er ein Jahr in der Konfliktregion Donbass verbracht hatte und verwundet worden war, sagte aber, dass er als Journalist und Fotograf über den Konflikt berichtet hatte."
Er war "eingebettet" in das rechtsextreme und neonazistische Asow-Bataillon, während dieses "prorussische Separatisten" heftig bekämpfte. Allerdings stellt die BBC fest, dass Protassewitsch darauf bestanden hat, dass er nur als Journalist dort war. In dem Bericht heißt es weiter:
"Ein ehemaliger Kommandeur der Asow-Einheit hat Protassewitschs Version der Ereignisse unterstützt und bestätigt, dass er Zeit mit ihnen als Journalist verbrachte und verwundet wurde."
Minsk beschuldigt nun den inhaftierten Aktivisten, im Wesentlichen ein Söldner und "Terrorist" zu sein, der seit Langem den Sturz der rechtmäßigen Regierung geplant hat. Lukaschenko fügte in seinen Kommentaren am Mittwoch hinzu:
"Diese Tatsachen sind nicht nur hier, sondern im brüderlichen Russland und auch in der ganzen Welt bekannt. Und er hat dies nicht verheimlicht. Nun, hier in Weißrussland, haben er und seine Komplizen auch ein Massaker und einen blutigen Putsch geplant."
Fotos aus Protassewitschs Zeit in der Ostukraine deuten jedoch zunehmend darauf hin, dass er in dem Konflikt mehr als nur ein Journalist war. Auf den Fotos unten erscheint er bewaffnet und in voller Kampfausrüstung als Mitglied des Neonazi-Bataillons Asow in der Ukraine. Das Sondereinsatzkommando Asow, oft auch Asow-Bataillon oder Asow-Regiment genannt, ist ein neonazistisches Regiment der ukrainischen Nationalgarde mit Sitz in Mariupol in der Küstenregion des Asowschen Meeres.
Der weißrussische Präsident betonte weiter, dass "sich ein Terrorist in diesem Flugzeug befand". Anstatt das Thema zu umgehen, gab Lukaschenko direkt zu, dass er die Entfernung von Protassewitsch und seiner Freundin aus dem Flugzeug genehmigt hatte. Er sagte:
"Nach dem Gesetz stand diese Person auf einer Terroristenliste, und seine Organisation ist als extremistisch anerkannt. Wer weiß das nicht? Und dass wir ihn, einen weißrussischen Staatsbürger, und seine Lebensgefährtin, die eine Aufenthaltsgenehmigung hat, am Flughafen festgenommen haben, ist unser souveränes Recht, das zu tun."
Präsident Lukaschenko erklärte jedoch, dass das Ryanair-Passagierflugzeug zunächst nicht wegen der Bemühungen um die Festnahme von Protassewitsch umgeleitet wurde, sondern weil es eine Bombendrohung gab. Westliche Behörden haben die Bombendrohung zum Täuschungsmanöver erklärt, das orchestriert worden sei, um die Umleitung und Notlandung des Flugzeugs zu erzwingen.
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