Steuert Schottland auf ein zweites Unabhängigkeitsreferendum zu? Eine Antwort auf diese Frage könnte die Wahl zum Regionalparlament in dem britischen Landesteil an diesem Donnerstag geben. Neben Schottland wird auch in Wales ein neues Regionalparlament gewählt. In London und vielen anderen Städten und Kreisen Englands dürfen die Menschen neue Bürgermeister sowie Bezirks- und Gemeinderäte bestimmen.
Seit Donnerstagfrüh 8 Uhr (MESZ) hatten die Wahllokale landesweit geöffnet. Bis 23 Uhr (MESZ) können Stimmzettel abgegeben werden.
Es ist vor allem die Wahl in Schottland, die langfristige Folgen haben könnte. Die Schottische Nationalpartei (SNP) von Regierungschefin Nicola Sturgeon hofft dabei auf eine absolute Mehrheit. Die Partei, die derzeit mit Duldung der schottischen Grünen regiert, fordert ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für den britischen Landesteil – dazu braucht sie allerdings die Zustimmung aus London. Premierminister Boris Johnson lehnt das bislang aber strikt ab.
Der britische Regierungschef ist in Schottland denkbar unbeliebt. Einer neuesten Umfrage der Universität Bristol und des King's College London zufolge misstrauen drei Viertel der Schotten (72 Prozent) dem britischen Premier in Sachen Pandemiebekämpfung. Eine Mehrheit der Schotten (55 Prozent) glaubt zudem, dass die Regierung in London insgesamt keine gute Figur im Kampf gegen das Coronavirus gemacht habe.
Mit einer absoluten Mehrheit, so die Hoffnung, hätte die SNP ein klares Mandat für die Volksabstimmung und könnte mehr Druck auf London ausüben. Bei einem ersten Referendum 2014 hatte sich noch eine Mehrheit von 55 Prozent der Schotten gegen die Abspaltung von der Union mit England, Wales und Nordirland ausgesprochen.
Es dürfte spannend werden. Wahlforscher John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow schrieb am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter:
"Die Umfragen legen eine 50:50-Chance für eine absolute SNP-Mehrheit nahe."
Die Konservativen dürften demnach erneut auf Platz zwei vor der einst in Schottland übermächtigen Labour-Partei landen.
Bis das Endergebnis feststeht, könnte es sich bis Samstag hinziehen. In jedem Fall könnte Sturgeon aber wieder auf die Unterstützung der Grünen hoffen, die laut Umfragen ihr Ergebnis bei dieser Wahl von sechs auf zehn Prozent der Zweitstimmen verbessern dürften.
Bei der Wahl in Schottland gibt es ähnlich wie in Deutschland Erststimmen für die Wahl der Direktmandate und Zweitstimmen für Kandidaten, die über regionale Listen ins Parlament kommen. Bei der Bürgermeisterwahl in London lag Amtsinhaber Sadiq Khan von Labour in den Umfragen zuletzt deutlich vor seinem konservativen Herausforderer Shaun Bailey. Die Auszählung der Stimmen könnte sich bis zum Sonntag hinziehen.
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(dpa/rt)