Nordirland: Politische Krise als Folge des Brexits – Regierungschefin Foster tritt zurück

Die politische Lage in Nordirland ist angespannt. Radikale Unionisten sehen im Brexit die Gefahr einer Abkoppelung von Großbritannien. Regierungschefin Foster war als Befürworterin des Brexit-Abkommens im Zentrum der Kritik gestanden und verkündete nun ihren Rücktritt.

In einer zugespitzten politischen Situation hat die Regierungschefin der britischen Provinz Nordirland, Arlene Foster, ihren Rücktritt angekündigt. Sie will zunächst zum 28. Mai als Parteichefin der DUP (Democratic Unionist Party) und einen Monat später auch als Erste Ministerin von Nordirland zurücktreten, teilte Foster am Mittwoch mit. In den vergangenen Tagen war die Vertreterin des protestantisch-loyalistischen Lagers in Nordirland vonseiten ihrer eigenen Partei erheblich unter Druck geraten.

Viele Anhänger der Union mit Großbritannien fühlen sich durch die Regelungen im Brexit-Abkommen benachteiligt – insbesondere vom sogenannten Nordirland-Protokoll, das Sonderregeln für Nordirland vorsieht, um eine harte irisch-nordirische Grenze auf der Insel zu vermeiden. Für die britische Provinz gelten daher weiter die Regeln des EU-Binnenmarktes. Grenzkontrollen finden anstelle der Landgrenze zur Republik Irland in den nordirischen Häfen statt, wenn Waren aus den anderen Teilen des Vereinigten Königreichs nach Nordirland kommen. Die Unionisten befürchten dadurch zunehmend von Großbritannien abgekoppelt zu werden, und wollen das Protokoll daher komplett abschaffen, bevor es überhaupt vollständig umgesetzt wurde.

Foster hob laut dpa in ihrer Rücktrittserklärung die Rolle des Nordirland-Protokolls für ihren politischen Abgang wie generell für die politische Krise in Nordirland hervor:

"Das Nordirland gegen den Willen der Unionisten aufgezwungene Protokoll hat dazu beigetragen, Nordirland in letzter Zeit zu destabilisieren."

In den vergangenen Wochen sind die Spannungen in der ohnehin politisch fragilen Region angewachsen. Mehrfach kam es zu nächtlichen Krawallen und gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, es wurden Barrikaden errichtet und Autos und ein Bus angezündet. Radikale probritische Unionisten hatten angekündigt, gegen das Brexit-Abkommen anzukämpfen – notfalls mit Gewalt. Auch eine Aufkündigung des Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem damals der Nordirland-Konflikt beruhigt worden war, wurde in den Raum gestellt.

Foster selbst spielte in ihrer Zeit als DUP-Vorsitzende zeitweise eine herausragende Rolle in den Brexit-Gesprächen. Sie wird unter anderem dafür kritisiert, nicht ausreichend Druck auf die britische Regierung ausgeübt zu haben. In den vergangenen Tagen waren in DUP-Kreisen Unterschriften gesammelt worden, um ein Misstrauensvotum gegen Foster zu erwirken. Nach Medienberichten haben 22 von 27 DUP-Abgeordneten im nordirischen Parlament und vier von acht DUP-Abgeordneten im britischen Parlament den Misstrauensbrief unterzeichnet. Mit ihrer Rücktrittsankündigung kam die Politikerin ihren Kritikern zuvor.

Für die noch amtierende DUP-Vorsitzende spielt auch die Frage des Geschlechts eine Rolle. Sie berichtet von selbst erlebten frauenfeindlichen Anfeindungen in der Politik und in der Öffentlichkeit. Sie sei dennoch froh, mit ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden "eine gläserne Decke durchbrochen" zu haben und damit womöglich andere Frauen zu inspirieren, "in die Politik zu gehen" und "Ämter zu übernehmen". Foster hatte 2015 als erste Frau die Führung ihrer Partei und später das Regierungsamt übernommen. Sie fügte hinzu:

"Traurigerweise ist es für alle Frauen im öffentlichen Leben dasselbe. Ich möchte trotzdem dazu ermutigen, weiterzumachen und sich nicht vom Online-Lynchmob unterkriegen zu lassen."

Machtkampf in der DUP

Mit Spannung wird nun erwartet, wer Foster nachfolgen soll. Hinter den Kulissen spielt sich laut Medienberichten ein Machtkampf zwischen dem Parlamentsabgeordneten Jeffrey Donaldson, der eher als Vertreter einer moderaten politischen Linie gilt, und dem nordirischen Agrarminister Edwin Poots ab, der als protestantisch-loyalistischer Hardliner und Unterstützer radikaler Unionisten gilt. Der Ausgang des parteiinternen Gerangels könnte richtungsweisend sein für die politische Situation in Nordirland.

Seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 bilden die jeweils stärksten Parteien der beiden konfessionellen Lager – probritische Protestanten und proirische Katholiken – die gemeinsame nordirische Regierung. Derzeit sind das die DUP und die katholisch-republikanische Sinn Féin, die sich für eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland einsetzt. Die vereinte Regierung soll die fragile Stabilität in der Region gewährleisten.

Mit Foster an der Spitze hatte die DUP einen eher moderaten und versöhnlichen Kurs gegenüber den katholischen-republikanischen Koalitionären vertreten. Mit dem Hardliner Poots könnte sich die Stimmung verändern. Die Vizeregierungschefin Michelle O'Neill von der Sinn Féin forderte laut dpa die DUP dazu auf, die Situation zu nutzen, um einen progressiveren Kurs als unter Foster einzuschlagen. Um Nordirland voranzubringen, brauche es Politiker, die der Gleichberechtigung von Frauen, Menschen aus der LGBT-Gemeinde (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans) sowie der irischen Sprache und Identität in allen Bereichen der Gesellschaft verpflichtet seien, so O'Neill.

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(rt/dpa)