"Wenn der liebe Gott sich im Himmel langweilt, dann öffnet er das Fenster und betrachtet die Boulevards von Paris", schrieb Heinrich Heine einst. Heute würde der liebe Gott vermutlich das Fenster geschlossen halten und die Vorhänge zuziehen. Wenn es nicht zu zynisch wäre, könnte man fast meinen, dass die wegen der Corona-Krise ausbleibenden Touristen ein Segen für den Ruf der Stadt sind. Denn der Anblick, der sich ihnen in einigen Ecken der Stadt derzeit bieten würde, hat wenig bis gar nichts zu tun, etwa mit den durchaus reizvollen Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie zum Beispiel Sacré-Cœur de Montmartre.
Die Metropole, deren unbestrittene Schönheit von Victor Hugo, Charles Baudelaire und anderen mit schwärmerischen Worten in die Welt getragen wurde, versinkt gerade im Müll. Oder treffender gesagt: sie verwahrlost. In sozialen Netzwerken echauffieren sich viele Pariser unter dem Hashtag #SaccageParis mit Tausenden von Fotos über den Zustand ihrer Heimatstadt. Sperrmüll auf dem Bürgersteig, unzählige Graffitis an Häuserwänden, überquellende Abfalltonnen und illegale Müllhalden – sous le ciel de Paris s'envole une Gestank, könnte man in Anlehnung an Edith Piaf trillern. Die Wut richtet sich dabei vor allem gegen die amtierende Bürgermeisterin Anne Hidalgo von den französischen Sozialdemokraten.
Der Unmut der Pariser kommt für die 61-jährige Politikerin mit spanischer Herkunft zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Hidalgo macht sich gerade Hoffnungen, im nächsten Jahr als Kandidatin für die französischen Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Und das Jahr 2024 mit den Olympischen Sommerspielen, deren Motto bekanntlich nicht gerade "Mitmüllen ist alles" lautet, ist auch nicht mehr in so ferner Zukunft. Hidalgo räumte gegenüber dem Radiosender RTL euphemistisch ein, dass "natürlich nicht alles perfekt" sei.
Eine Kampagne der Rechten?
Gleichzeitig vermutet die Politikerin hinter dem Hashtag eine im wahrsten Sinne des Wortes "Schmutzkampagne" der Rechten. In der Tat ließ sich Marine Le Pen, die Vorsitzende der Partei Rassemblement National (früher: Front National), nicht lange bitten und solidarisierte sich mit der Kampagne via Twitter.
"Die Tausenden von Bildern, die mit dem Hashtag #SaccageParis geteilt wurden, brechen die Herzen der Paris-Liebhaber. Bravo an die empörten Pariser! Die Degradierung unserer schönen Hauptstadt durch das Hidalgo-Team ist ein nationales Leiden, das keinen Franzosen gleichgültig lassen sollte", schrieb Le Pen. Allerdings widerspricht der mutmaßliche Initiator der Kampagne den Vorwürfen, das die Kampagne politisch motiviert wäre.
Nachdem ihn die französische Tageszeitung Le Parisien persönlich aufgespürt hatte, sagt der Initiator, der im Netz unter dem Pseudonym "@PanamePropre" unterwegs ist, lediglich:
"Ich bin einfacher Pariser, der laut sagt, dass er die Schnauze voll hat."
Er sei selbst überrascht über die hohen Wellen, die seine Aktion geschlagen habe. Er habe lediglich seinem eigenen Wutanfall Ausdruck verleihen wollen. Immerhin kündigte Hidalgo an, dass den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aller Stadtbezirke der französischen Hauptstadt nun mehr Kompetenzen bei der Stadtreinigung gegeben werden sollen. Zudem solle auch das Budget für Sauberkeit und Stadtreinigung auf eine Milliarde Euro pro Jahr verdoppelt werden.
Zumindest für Erik Satie, den 1925 verstorbenen Komponisten, kommen die Bemühungen Hidalgos ohnehin deutlich zu spät. Der Schöpfer der berühmten "Gymnopédies" schrieb einst offenbar unabsichtlich zeitlos: "Die Luft in Paris ist so schlecht, dass ich sie immer abkoche, bevor ich sie einatme."
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