Die Eröffnung "eines der mächtigsten Unternehmen" in Novi Sad sei ein großer Tag, der zeige, wie sehr sich Novi Sad, Vojvodina und ganz Serbien in den letzten drei Jahren weiterentwickelt hätten. Mit diesen Worten begrüßte der serbische Präsident Aleksandar Vučić jüngst den Start des neuen Werks von Continental Automotive Serbia in der nordserbischen Stadt.
Die Tochterfirma des deutschen DAX-Unternehmens Continental AG beabsichtigt laut offiziellen Verlautbarungen rund 140 Millionen Euro in Serbien zu investieren und mindestens 500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das nun eröffnete Werk, das sich in der Industriezone von Novi Sad zunächst auf 8.000 Quadratmeter erstreckt, war demnach nur die erste Phase der Investition. Im dritten Quartal 2021 soll der Bau eines neuen Fabrikgebäudes beginnen, das dann über 30.000 Quadratmeter Produktions- und Büroflächen haben wird.
Helmut Matschi, Mitglied des Vorstands der Continental AG, wandte sich an die geladenen Gäste in einer Videobotschaft mit den Worten:
"Die Zusammenarbeit und Unterstützung, die wir in Serbien haben, geben uns das Gefühl, willkommen zu sein. Dies hat uns sehr geholfen, unser Geschäft in der Region erst aufzubauen, dann aufrechtzuerhalten und jetzt weiter auszubauen."
Laut dem Generaldirektor von Continental Automotive Serbia, Saša Ćoringa, soll an dem neuen Standort des deutschen Reifenherstellers und Autozulieferers "innovative Elektronik" mit dem Zeichen "Made in Serbia" hergestellt werden. In dem neuen Betrieb sollen neben Armaturenbrettern und Displays für Autos, auch intelligente Steuerungssysteme produziert werden.
Die Auto-Welt richtet sich neu aus – von Mechanik und Hydraulik zu immer mehr Elektronik, Sensorik und Software. Auch Continental will weiterhin vorn mitspielen. 2020 war für das Unternehmen mit dem Hauptsitz in Hannover eine Art Umbruchsjahr. Mit verstärkten Investitionen in Digitales und Elektronik will man die Krise meistern, denn das DAX-Unternehmen schrieb zuletzt rote Zahlen. Für das zweite und dritte Quartal 2020 wurden hohe dreistellige Millionenverluste gemeldet. Auch schon vor dem Einsetzen der Corona-Krise im Zuge der COVID-19-Pandemie hatte das Unternehmen nach offiziellen Angaben wegen hoher Abschreibungen und Problemen auf dem chinesischen Markt 2019 einen Milliardenverlust eingefahren.
Mit der zuletzt proklamierten Neuausrichtung des Konzerns wurden auch Streichungen von Arbeitsplätzen angekündigt. Nach offiziellen Verlautbarungen sollen im Rahmen des Großumbau- und Sparprogramms bis Ende des Jahrzehnts 30.000 Stellen verlagert, gestrichen oder für neue Qualifikationen umgewandelt werden. Allein in Deutschland sind 13.000 Jobs von der Umstrukturierung betroffen. Zudem sollen zwei Werke geschlossen werden.
Im Continental-Werk im südhessischen Babenhausen sollen in den nächsten Jahren 1.900 der rund 3.300 Jobs wegfallen. Dem Vernehmen nach will der Autozulieferer im hessischen Werk Fertigung und Teile der Entwicklung bis 2025 schließen. Auch das Elektronik-Zulieferwerk im hessischen Karben mit rund 1.100 Beschäftigten ist betroffen, wo die Produktion bis 2023 eingestellt werden soll. In Aachen soll das Reifenwerk bis Ende 2021 geschlossen werden. Dort stehen rund 1.800 Jobs vor dem Aus.
Dass der Konzern nun mit großen Plänen und einem weiteren Standort in dem Westbalkanland kommt, dürfte auch mit den üppigen Subventionen des serbischen Staates zusammenhängen.
Wie nun serbische Medien berichten, soll das deutsche DAX-Unternehmen für das Werk in Novi Sad staatliche Unterstützung in Millionenhöhe bekommen. Demnach habe sich Serbien verpflichtet, den Standort mit rund 28 Millionen Euro zu subventionieren. Das Geld soll bis 2023 ausgezahlt werden, bis dahin soll Continental auch 500 Festangestellte in dem Werk haben.
Bereits 2018 sorgte Continental für Schlagzeilen in Serbien. Für die Eröffnung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Novi Sad, das inzwischen rund 500 Ingenieure beschäftigt, soll der Konzern rund 9,5 Millionen Euro Subventionen bekommen haben. Damals gab es vor allem Kritik von einheimischen IT-Firmen, die bemängelten, dass der Staat ihnen keine Unterstützung gewährt. Zudem äußerten zahlreiche Firmen die Sorge, dass Continental ihnen nun die stark umworbenen Mitarbeiter durch höhere Gehälter abwerben könnte und damit die potenzielle Konkurrenz kaputt macht.
In den vergangenen Jahren zog es immer mehr deutsche Unternehmen nach Serbien (rund sieben Millionen Einwohner). Laut einer Aussage des serbischen Präsidenten sollen deutsche Firmen in den vergangenen Jahren "mehr als 2,53 Milliarden Euro in Serbien investiert" haben und "rund 65.000 Menschen beschäftigen". Laut Vučić ist Deutschland der wichtigste Handelspartner Belgrads. Über 450 deutsche Firmen sind im Land aktiv.
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