"Keine andere Erklärung": Impfstoff laut norwegischen Experten für Blutgerinnsel verantwortlich

Nach der Aussetzung des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca wird dieser nun wieder verwendet. Der Nutzen sei höher als das Risiko. Auch in Norwegen traten schwere Thrombosen auf. Eine Person starb. Laut einem Expertenteam gibt es dafür nur eine plausible Erklärung.

Die Debatte um den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca reißt nicht ab. Nachdem die Bundesregierung die Vergabe des Vakzins aufgrund von aufgetretenen Hirnvenenthrombosen zunächst ausgesetzt hatte, wurde diese am Freitag nun offiziell wiederaufgenommen. Die Impfdosen sollen laut Gesundheitsminister Jens Spahn nun jedoch mit einem Warnhinweis versehen werden.

Laut dem Präsidenten des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts Klaus Cichutek hat eine Prüfung ergeben, dass der Nutzen fortgeführter AstraZeneca-Impfungen größer sei als die Risiken. Zuvor hatte sich die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) der Sache angenommen. Einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den "seltenen Fällen" der offiziell vermeldeten Thrombosen und der Vergabe des Vektor-Impfstoffs konnte man demzufolge jedoch nicht feststellen.

Zu einer anderen Bewertung der Zusammenhänge kam man derweil nun in Norwegen. Hintergrund waren akute Schmerzen, Blutgerinnsel an ungewöhnlichen Stellen (Gehirn und Magen), sowie Blutungen und eine niedrige Anzahl von Blutplättchen bei drei unter 50-jährigen Mitarbeitern des norwegischen Gesundheitswesens. Zuvor hatten alle drei den Impfstoff COVID von AstraZeneca erhalten. Einer der medizinischen Mitarbeiter verstarb am Montag.

Eine Untersuchung wurde eingeleitet, geleitet von Prof. Pål André Holme, Chefarzt am Osloer Universitätsklinikum. Am Freitag äußerte er sich gegenüber der norwegischen ZeitungVG.

"Die Ursache für den Zustand unserer Patienten ist gefunden."

Die Experten um Holme gingen der Frage nach, ob der AstraZeneca-Impfstoff ursächlich für die Blutgerinnsel und den Todesfall gewesen ist und eine unerwartete und starke Immunreaktion ausgelöst hat – eine Theorie, die sie nun bestätigt fanden.

"Unsere Theorie, dass es sich um eine starke Immunreaktion handelt, die höchstwahrscheinlich durch den Impfstoff ausgelöst wurde, hat sich bestätigt."

In Zusammenarbeit mit Fachleuten der Universitätsklinik Nordnorwegen habe man spezifische Antikörper gegen Blutplättchen gefunden, "die diese Reaktionen hervorrufen können und die wir aus anderen Bereichen der Medizin kennen, dann aber mit Medikamenten als Ursache der Reaktion", erklärte Holme VG.

Danach gefragt, ob der Impfstoff die "wahrscheinlichste" Ursache für die spezifische Immunantwort sei, sagte Holme, es gebe in der Biografie der drei Patienten neben dem Vakzin "nicht anderes", das eine solche Reaktion hervorgerufen haben könnte. Keiner der drei Patienten habe zuvor ähnliche gesundheitliche Probleme gehabt.

"Es gibt nichts in der Krankengeschichte dieser Personen, das eine so starke Immunreaktion hervorrufen kann. Ich bin zuversichtlich, dass die Antikörper, die wir gefunden haben, die Ursache sind, und ich sehe keine andere Erklärung, als dass es der Impfstoff ist, der sie auslöst."

Holme erklärte gleichzeitig, dass die untersuchten Nebenwirkungen sehr selten sein dürften, da "wir über sehr spezifische Antikörper sprechen".

Die norwegische Arzneimittelbehörde wollte die Untersuchungsergebnisse bislang nicht kommentieren. Deren medizinischer Direktor Steinar Madsen erklärte der norwegischen Nachrichtenagentur NTB:

"Wir müssen uns erst die Ergebnisse ansehen, ich möchte das jetzt nicht kommentieren."

AstraZeneca lehnt es bislang ebenfalls ab, die Ergebnisse der Experten zu kommentieren.

Anfang der Woche hatte die norwegische Journalistin Linn Wiik zu Protokoll gegeben, dass sie "gerne" dazu bereit sei, am Impfstoff von AstraZeneca zu "sterben", wenn ihr Opfer der Menschheit helfen würde, den "Krieg gegen Corona" zu gewinnen. Am Montag schrieb Wiik in einem Gastbeitrag für den norwegischen Fernsehsender TV 2:

"Einige müssen im Krieg gegen Corona geopfert werden. So ist es in allen Kriegen. Dieses Mal könnte ich es sein."

Am Donnerstag entschied die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, dass der AstraZeneca-Impfstoff "sicher und effektiv" sei. Der Ausschuss sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Impfstoff nicht verbunden sei mit einer erhöhten Anfälligkeit für Blutgerinnsel. Während des Überprüfungsverfahrens sei die EMA auf eine "kleine Anzahl von Fällen" von "seltenen und ungewöhnlichen, aber sehr ernsten" Gerinnungsstörungen aufmerksam geworden. Dies habe eine Detailüberprüfung ausgelöst. 

Trotzdem könne die EMA anhand der zur Verfügung stehenden Daten einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und diesen Fällen nicht vollständig ausschließen. Daher habe der Ausschuss empfohlen, das Bewusstsein bezüglich dieser möglichen Nebenwirkungen zu erhöhen und sicherzustellen, dass sie in der Produktinformation beinhaltet sind. Davon verspricht sich die Agentur, "mögliche Nebenwirkungen abzumildern".

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