Seit letzter Woche protestieren zahlreiche Kulturschaffende gegen die Corona-Politik der französischen Regierung. "Wir machen auf", verlautbaren Techniker, Musiker und Schauspieler, die beispielsweise das berühmte Odéon in Paris besetzt halten.
Der Protest richtet sich gegen die willkürliche staatliche Unterscheidung von "sicheren" und "unsicheren" Orten, wobei die Kultur pauschal letzteren zugeschlagen wird. Im Gegensatz zu Kirchen, Supermärkten und Büros werden kulturelle Einrichtungen als entbehrlich erachtet.
Da verwundert es nicht, dass die Kulturarbeiter den Eindruck haben, hier würde eine Branche geopfert, um die anderen "ungehindert und unhinterfragt am Laufen zu halten", wie das Neue Deutschland schreibt.
"Kultur geopfert", so heißt es dann auch auf einem Transparent am Odéon. Doch neben Paris sind mittlerweile zahlreiche andere Metropolen von der Protestbewegung erobert worden. Bis zum Montag wurden 46 Kulturstätten in ganz Frankreich besetzt. Ein Tanzzentrum in Montpellier, die Oper in Rennes, Theater in Tours, Marseille, Toulouse, Rouen, Amiens, Nimes, Strasbourg, Lille und viele mehr. Das La Colline in Paris haben Schauspielschüler besetzt. Die Wut der Kulturschaffenden, die im Gegensatz zu Großkonzernen und anderen "systemrelevanten" Einrichtungen kaum staatliche Hilfen bekommen ist groß. Im Dialog mit den Betroffenen bezeichnete die Kulturministerin Roselyne Bachelot die Aktionen der "Besetzer" wenig hilfreich als "gefährlich" und "schädlich", so die FAZ. Einen "Plan" für Abhilfe indes hat sie nicht.
Dafür wird nun bereits die zweite Festivalsaison hintereinander abgesagt. Das "Solidays" in Paris sagte seine 2021er-Ausgabe genauso ab wie das Hellfest, größter Anziehungspunkt im Land Anziehungspunkt für Heavy-Metal- und Hard-Rock-Fans. Für die Organisatoren ist es nicht vorstellbar, dass die Besucher brav sitzen bleiben, wie das bei anderen Veranstaltungen geplant ist.
Grundsätzlich weisen die protestierenden Kulturarbeiter darauf hin, dass es nicht allein um ihre Existenz sie geht. Es sind zahlreiche prekär und temporär Beschäftigte, wie in der Gastronomie, die nun ohne Hilfe und Perspektive in die Armut gestürzt werden, während die Regierung "ihren heroischen Kampf gegen ein Virus inszeniert", so das Neue Deutschland.
Unter dem Schlagwort "Kultur in Gefahr" wurden bei der Verleihung der renommierten César-Filmpreise am Wochenende die Regierung und die Kulturministerin scharf kritisiert; die Schauspielerin Corinne Masiero entkleidete sich aus Protest. "Keine Kultur, keine Zukunft" hatte sie auf die nackte Haut geschrieben. Das Fazit ist bitter:
"Die Komikerin Marina Foïs, die als Moderatorin durch die César-Verleihung führte, sagte, man habe die Jungen eingesperrt, die Kinos, Theater und Museen geschlossen sowie Konzerte verboten, damit in einem säkularen Land die Alten zur Messe in die geöffneten Kirchen gehen können. Das Verständnis dafür, so scheint es, schwindet allerorten."
Mehr zum Thema - Deutschland, Frankreich und Großbritannien 2020: Massendemonstrationen gegen den autoritären Staat