In der Schlussphase der Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt der Europäischen Union mit Großbritannien hat sich am Montag Pessimismus breitgemacht. EU-Unterhändler Michel Barnier sehe immer noch keinen entscheidenden Fortschritt, berichteten Diplomaten. Auch der irische Außenminister Simon Coveney zeigte sich wenig hoffnungsvoll. Dennoch gab man eine Einigung noch nicht verloren. Am Montagabend wollen der britische Premier Boris Johnson und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Bilanz ziehen.
"Der Ausgang ist immer noch offen", sagte ein EU-Diplomat nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter durch Barnier. "Die EU ist bereit, letzte Anstrengungen aufzubringen, um einen fairen, nachhaltigen und ausgewogenen Deal für die Bürger in der EU und dem Vereinigten Königreich zu erzielen. Es ist jetzt an Großbritannien, zwischen einem solchen positiven Ergebnis und einem No-Deal zu wählen."
Zuvor hatte die britische Seite Berichte dementiert, dass es am Wochenende einen Durchbruch beim umstrittenen Thema Fischerei gegeben habe. Dies ist einer der drei Knackpunkte. Besonders umstritten sind daneben die EU-Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen und die Instrumente zur Ahndung von Verstößen gegen das geplante Abkommen.
Die Unterhändler stehen enorm unter Zeitdruck. Ohne Handelsabkommen drohen zum Jahreswechsel Zölle und andere Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU. Dann läuft die Brexit-Übergangsfrist aus, während der trotz des britischen EU-Austritts Anfang des Jahres fast alles beim Alten geblieben war. Der wirtschaftliche Bruch kommt erst zum 1. Januar.
Barnier verhandelt nach einer kurzen Gesprächspause seit Sonntag wieder in Brüssel mit seinem britischen Kollegen David Frost. Am Samstagabend hatten von der Leyen und Johnson telefoniert und gravierende Differenzen festgestellt. Dennoch vereinbarten sie die Fortsetzung der Gespräche. Am Montagabend wollen sie erneut telefonieren.
Bis Montagfrüh hatte aus EU-Sicht auch der Neustart der Verhandlungen nichts gebracht. "Die Nachrichten sind sehr pessimistisch", sagte Irlands Außenminister Coveney dem irischen Sender RTÉ nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter durch Barnier. "Ich würde sagen, er wirkt sehr niedergeschlagen und vorsichtig über die Aussichten auf Fortschritte heute." Nach Coveneys Worten sind alle drei Hauptstreitpunkte weiterhin "sehr problematisch".
Die britische Regierung will derweil bis zur letzten Minute über einen Brexit-Handelspakt mit der EU verhandeln. "Die Zeit wird knapp, und wir sind in der Endphase", sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson am Montag in London. "Aber wir sind zu Verhandlungen bereit, solange wir Zeit haben, falls wir glauben, dass eine Einigung noch möglich ist."
Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollten am Montagnachmittag um 17.00 Uhr erneut telefonieren, um eine Bilanz der Gespräche zu ziehen.
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(dpa/rt)