"Verantwortliche Konzerne" und "keine Kriegsgeschäfte" – Schweiz vor wegweisenden Volksabstimmungen

Die Schweiz stimmt am 29. November darüber ab, ob die Schweizerische Nationalbank, Pensionskassen und Stiftungen weiter in Rüstungsfirmen investieren dürfen – und ob Konzerne mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland einhalten müssen.

Die sogenannte "Keine-Kriegsgeschäfte-Initiative" will erreichen, dass die Schweizerische Nationalbank, Pensionskassen und Stiftungen nicht mehr in Unternehmen investieren dürfen, die Rüstungsgüter herstellen. Zwar verbietet ein Gesetz bereits jetzt die Finanzierung von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie von Personenminen und Streumunition, doch eine indirekte Beteiligung etwa in Form von Aktien ist noch möglich. Laut einer Studie kommt diese Ausnahme unter anderem bei Unternehmen wie Airbus zur Anwendung, das neben Zivilflugzeugen auch beispielsweise Atomraketen für französische U-Boote produziert.

Gestattet sind zudem nach wie vor Investitionen in andere Rüstungsgüter, wie zum Beispiel Handfeuerwaffen, Panzer oder der Motor eines Militärflugzeugs. Sollte die Initiative angenommen werden, wäre es der Schweizerischen Nationalbank, Pensionskassen sowie Schweizer Stiftungen de facto nicht mehr erlaubt, Rüstungsunternehmen Kredite zu geben oder Aktien von diesen zu besitzen.

Die Schweizer Regierung hat sich gegen die Initiative ausgesprochen. Das bestehende Finanzierungsverbot erfülle bereits seinen Zweck, erklärte der Bundesrat. Die Initiative könne keine Kriege verhindern und würde Sozialversicherungen sowie Pensionskassen schmälern. Zudem sei ein weltweites Finanzierungsverbot ohnehin unmöglich.

Konzerne ethisch an die Kandare nehmen

In der zweiten Volksabstimmung unter dem Motto "Verantwortliche Konzerne" sollen Konzerne mit Sitz in der Schweiz gezwungen werden, international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland einzuhalten. Dafür sollen die Unternehmen regelmäßige Sorgfaltsprüfungen vornehmen, allenfalls Maßnahmen ergreifen und Bericht erstatten. Zudem will die Initiative, dass die Konzerne nicht nur bei ihrem eigenen Fehlverhalten, sondern auch bei Menschenrechtsverletzungen sowie Missachtungen von Umweltstandards ihrer Tochterunternehmen zur Rechenschaft gezogen werden.

Darüber hinaus sollen neue Haftungsbestimmungen eingeführt werden, um die Konzerne zivilrechtlich für Schäden haftbar machen zu können, die durch Firmen im Ausland entstanden sind. Die Initiative betrifft grundsätzlich alle Schweizer Unternehmen. Kleinere bis mittlere Betriebe mit bis zu 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sind von der Initiative allerdings ausgenommen, es sei denn, sie sind in sogenannten Hochrisikosektoren tätig. Dazu zählt etwa der Abbau oder Handel von Rohstoffen wie Gold oder Kupfer sowie der Handel von Diamanten und Tropenholz.

Doch die Initiative geht noch weiter: Menschen, die im Ausland von Schweizer Konzernen geschädigt wurden, könnten in der Schweiz Klage einreichen, sollte die Initiative angenommen werden. Der Fall wird dabei von einem Schweizer Gericht und nach Schweizer Recht beurteilt. Auch hier stellt sich die Regierung gegen die Initiative. Vor allem die Haftungsbestimmungen gehen Bundesrat und Parlament zu weit. Zudem setze die Initiative Unternehmen unter Generalverdacht, was zu einem erhöhten Klagerisiko führen könne. Konzerne könnten die neue Regulierung umgehen, in dem sie ihre Sitze ins Ausland verlagern, dies gefährde viele Schweizer Arbeitsplätze.

Deswegen hat der Bundesrat einen Gegenvorschlag eingereicht, über den mit abgestimmt werden soll. Der Gegenvorschlag sieht zwar ebenfalls neue Pflichten zu Berichterstattung und Sorgfaltsprüfungen vor, jedoch sollen diese international abstimmt werden. Im Gegensatz zu der Initiative beinhaltet der Gegenvorschlag keine Haftungsregeln.

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