Großbritannien: Pädophile und Gewalttäter erhalten wegen Corona kürzere Gefängnisstrafen

Kriminelle im Vereinigten Königreich, darunter auch Gewalttäter, sollen geringere Strafen erhalten haben, weil die Gerichte angeblich strenge Corona-Regelungen in den Gefängnissen des Landes berücksichtigen. Das berichtete die Zeitung The Times.

Britische Richter sollen seit April gegenüber Straftätern Nachsicht gezeigt haben, nachdem ein Gericht entschieden hatte, dass Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus in Haftanstalten, einschließlich längerer Isolationszeiträume, bei der Urteilsverkündung in Betracht gezogen werden könnten. In dem Fall ging es um einen Mann, der ein Schulmädchen sexuell missbrauchte, schrieb die Zeitung The Times.

Gnade wurde auch einem Sexualstraftäter zuteil, der bei dem Versuch erwischt wurde, eine Minderjährige zu prostituieren. Im Juli wurde er nur für 20 Monate inhaftiert, weil der Richter offenbar Bedenken gegen die restriktive Corona-Politik der Gefängnisse hatte.

Gewaltverbrecher sollen auch leichter bestraft worden sein. Im September erhielten zwei Einbrecher, die maskiert in ein Haus einbrachen und eine Familie terrorisierten, geringere Haftstrafen. Der Richter einräumte, dass die Schläger aufgrund der Corona-Regeln 23 Stunden täglich in ihren Zellen verbringen müssen.

Im Juni gab das Gremium, welches Vorgaben für Richter festlegt, eine Mitteilung heraus, in der "die Besorgnis vieler Menschen über die Auswirkungen des COVID-19-Notstands auf die Bedingungen in den Gefängnissen und die potenziell schwereren Auswirkungen von Freiheitsstrafen auf Straftäter und ihre Familien" hervorgehoben wurde.

Die Gesundheitskrise belastete das Justizsystem des Landes enorm. Man versucht, ein Gleichgewicht zwischen Sicherheitsmaßnahmen und der Gewährleistung von Gerechtigkeit herzustellen.

Nicht alle haben jedoch Verständnis für die Argumentation einiger Richter. Der konservative Abgeordnete Tim Loughton sagte der Times, dass die Praxis der Verhängung milderer Strafen einem "Sommerschlussverkauf und einem COVID-Bonus für Gefangene" gleichkäme.

Großbritannien ist nicht das einzige Land, das mit Problemen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und seiner Gefängnispopulation konfrontiert ist. Auch in den Vereinigten Staaten wurden Gefangene aufgrund der Besorgnis über die Krankheit vorzeitig entlassen, was Kritik auslöste und den Vorwurf hervorbrachte, wonach diese Politik in New York und anderen Städten zu einem Anstieg der Gewaltverbrechen geführt haben soll.

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