Noch Ende August hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Rede zur aktuellen Corona-Lage gesagt, für sein Land gebe es "Licht am Ende des Tunnels". Es sei nunmehr "sehr wahrscheinlich, dass die Corona-Krise kürzer andauern wird, als viele Experten ursprünglich zu Beginn der Pandemie vorhergesagt haben." Gleichzeitig mahnte er jedoch an, es "kommt die kältere Jahreszeit auf uns zu", wodurch sich die Situation auch wieder "schnell zuspitzen" könne.
Genau wie Deutschland testet Österreich jetzt häufiger, und die Fallzahlen nehmen seit Anfang September wieder zu. Anders als in Deutschland dürften sich die österreichischen Zahlen jedoch nicht überwiegend mit dem erhöhten Testumfang begründen lassen. Der Anteil der positiv Getesteten an der Gesamtzahl der Getesteten lag bis einschließlich der 36. Kalenderwoche (also bis zum 6. September) noch relativ stabil bei Werten, die überwiegend zwischen 2,0 und 2,5 Prozent lagen. In der KW 37 stieg der Durchschnittswert dann aber beinahe schlagartig auf 4,8 Prozent und in der KW 38 sogar auf 5,4 Prozent.
Allerdings deuten die Zahlen nicht unbedingt auf einen exponentiellen Anstieg hin, sondern eher auf eine Stabilisierung auf diesem Niveau. Denn für die begonnene KW 39 (Stichtag dieser Donnerstag) liegt der Durchschnittswert wieder bei 4,5 Prozent. Stellt man in Rechnung, dass an den beiden Wochenendtagen generell weniger Fälle gemeldet werden, dürfte der Gesamtdurchschnittswert für die KW 39 am Ende sogar niedriger ausfallen. Von einer echten "zweiten Welle" kann also – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt – nicht gesprochen werden.
Auch scheinen die Krankheitsverläufe insgesamt weniger schwerwiegend zu sein. Dies fällt jedenfalls auf, vergleicht man das Frühjahr mit der aktuellen Situation. Die höchste Zahl der als tatsächlich erkrankt Gemeldeten wurde für den 3. April dokumentiert. Von den damals 9.193 Personen waren 1.074 im Krankenhaus – und davon 245 auf der Intensivstation. Das entspricht einem Anteil von 11,4 (im Krankenhaus) beziehungsweise 2,7 Prozent (auf Intensivstation) – wohlgemerkt: gemeint sind hier die Anteile an den tatsächlich Erkrankten, nicht an den positiv Getesteten, denn nicht jeder positiv Getestete erkrankt auch tatsächlich.
Die Zahl der tatsächlich Erkrankten ist seit Ende August wieder spürbar angestiegen, hat sich allerdings seit dem 20. September bei Werten um rund 8.000 stabilisiert. Der "Peak" lag bisher am 21. September mit 8.375 als tatsächlich erkrankt gemeldeten Personen – davon 364 im Krankenhaus beziehungsweise davon wiederum 67 auf der Intensivstation. Das entspricht dann einem Anteil von 4,3 beziehungsweise 0,8 Prozent an den tatsächlich Erkrankten. Die Zahlen liegen damit bei rund einem Drittel der Werte vom Frühjahr.
Bundeskanzler Sebastian Kurz nahm die neuen Zahlen jedenfalls zum Anlass, die Corona-Maßnahmen wieder zu verschärfen und hat zudem am Mittwoch ein neues "Lockdown-Gesetz" im Nationalrat beschließen lassen – mit den Stimmen von ÖVP, Grünen sowie den oppositionellen Sozialdemokraten. Die FPÖ forderte, eine Volksabstimmung zu diesem Gesetz durchzuführen, und stellte zudem einen Misstrauensantrag gegen die gesamte österreichische Bundesregierung. Mit beiden Anliegen scheiterte sie erwartungsgemäß.
Ob ein zweiter Lockdown in Österreich aber tatsächlich kommt, ist derzeit unklar. Voraussetzung wäre nach dem neuen Gesetz die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats. Auch darf ein Lockdown künftig nur für höchstens zehn Tage verhängt werden, allerdings ist eine Verlängerung möglich.
Fürs erste kündigte Kurz aber am Donnerstag mit Blick auf die Skisaison verschärfte Regelungen für den Wintertourismus an. So gelte nach Informationen des Nachrichtensenders ntv beispielsweise in Lokalen nicht nur für das Personal, sondern auch für Gäste auf dem Weg zum Tisch Maskenpflicht. In Ski-Schulen sei eine Obergrenze von zehn Personen vorgesehen. Zudem sollen Angestellte in Hotels und Gastronomie, aber auch Skilehrer und Reisebegleiter verstärkt getestet werden. Um die Maßnahmen durchzusetzen, werde verstärkt kontrolliert und bei etwaigen Verstößen empfindliche Geldstrafen verhängt. Kurz fasste es so zusammen: "Ski-Vergnügen ja, aber ohne Après-Ski".
Mehr zum Thema - Corona-Krise: Österreichische Kulturlandschaft vor massiven Einschnitten