Im Schatten des Krieges: Saudi-Arabien plant Bau von Ölhafen im Jemen

Der Bau würde die saudische Abhängigkeit von der Straße von Hormus und der Bab al-Mandab-Meerenge erheblich verringern. Gleichzeitig errichtet Riad salafistische Zentren in der Region und stößt damit auf den Widerstand der Bevölkerung. Das Nachbarland Oman ist alarmiert.

Dass es sich bei dem Plan, einen Ölhafen samt Pipeline in der jemenitischen Provinz al-Mahra zu bauen, um ein konkretes Vorhaben Saudi-Arabiens handelt, belegt ein Brief an den saudischen Botschafter im Jemen. In dem Schreiben bedankt sich die Konstruktionsfirma Huta Marine, eine Tochter des im saudischen Jeddah beheimateten Mutterkonzerns Huta Group, für "das Vertrauen", nachdem das Unternehmen demnach darum gebeten wurde, einen Fertigungsplan vorzulegen.

Das Unternehmen kündigte in der Folge an, die Örtlichkeiten in Augenschein nehmen zu wollen, um aufgrund der Eindrücke vor Ort ein Angebot vorlegen zu können. Leider war es RT Deutsch trotz mehrmaliger Versuche nicht möglich, Informationen vom Unternehmen selbst zu erhalten. Die Pläne Saudi-Arabiens würden es der absolutistischen Monarchie erlauben, das schwarze Gold aus Raffinerien in al-Mahra durch die Rub-al-Chali-Wüste zu exportieren, die größte zusammenhängende Sandwüste der Welt.  Der Vorteil liegt auf der Hand: Durch den Ölhafen wäre das Königreich nicht länger an die Straße von Hormus oder die Straße von Bab al-Mandab gebunden, beides strategische Engpässe mit erheblichem Einfluss auf die saudischen Ölexporte.

Al-Mahra liegt im Südosten des Jemen und grenzt an den Oman. Auch wenn die Region vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont blieb und sich vor Ort keine nennenswerten Huthi-Verbände oder Einheiten weiterer bewaffneter Gruppierungen befinden, startete die von Saudi-Arabien angeführte Kriegskoalition gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Ende des Jahres 2017 eine Militärkampagne in dem Gebiet.

Das taktische Vorgehen umfasst ebenfalls die Stationierung von durch die VAE finanzierten Sicherheitskräften. Darunter die sogenannten "Mahri Elite Forces", entwickelt nach dem Vorbild weiterer im Jemen operierender Söldnertruppen wie den Hadhrami Elite Forces in der Provinz Hadramaut, den Shabwani Elite Forces in Schabwat oder den Pioneer Security Belt Forces in Aden.

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Das militärische Treiben stößt derweil unter der lokalen Bevölkerung auf wachsenden Unmut und Wiederstand. Besonders bitter stößt den Bewohnern die Kontrolle der Saudis und der VAE über die kritische Infrastruktur auf, darunter der regionale Hafen und Flughafen. Einer der Gründe: 70 Prozent der Ölimporte des Jemen werden über den Oman und die al-Mahra-Grenze abgewickelt. Für zusätzliches Öl im Feuer dürfte auch die Verhaftung des ehemaligen stellvertretenden Gouverneurs von al-Mahra, Ali bin Salem al-Huraizy, sorgen. Die Verhaftung ereignete sich, nachdem dieser zu Protesten der Bevölkerung gegen die Militärkoalition und ihre zunehmende regionale Dominanz aufgerufen hatte.

Die lokale Bevölkerung und der ehemalige Gouverneur kritisieren ebenfalls, dass der lokale Hafen nicht mehr für die Fischerei genutzt werden könne und sich der Flughafen in einen militärischen Stützpunkt verwandelt habe. Huraizy lehnt darüber hinaus auch die Pläne zum Bau des Ölhafens in al-Mahra ohne das Einverständnis der lokalen Autoritäten ab.

Sie führen ihre eigenen Projekte durch, einschließlich einer Pipeline ohne staatliche oder lokale Kenntnisse. Wir hoffen, dass die legitime Führung aufmerksamer auf das Geschehene achten wird.

Saudi-Arabien versucht derweil, der Frustration der Bevölkerung durch sogenannte "Entwicklungsprojekte" zu begegnen, darunter ein Medizinzentrum und Stromstationen. Über das King Salman Center for Relief würden zudem sporadisch Hilfsgelder ausgeschüttet, Straßen gebaut oder Bäume gepflanzt. Bislang scheinen die mutmaßlichen Alibimaßnahmen aber nicht dazu angetan zu sein, den Unmut der Bevölkerung zu besänftigen, der es in erster Linie um die jemenitische Souveränität geht.

Nach Ansicht von Analysten zielt das Vorgehen der arabischen Kriegskoalitionäre in der Region auch darauf ab, politischen und wirtschaftlichen Druck auf den Oman auszuüben. Ein Land also, das nicht nur eine lange Grenze mit dem jemenitischen al-Mahra verbindet, sondern das auch bislang unbelastete nachbarschaftliche Beziehungen pflegte. So stellt das Nachbarland al-Mahra humanitäre Hilfe zur Verfügung und gewährt gefährdeten Bewohnern die doppelte Staatsbürgerschaft.

Zudem unterhält der Oman ein freundschaftliches Verhältnis zum saudischen Erzrivalen Iran. Die Waffenbrüder Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen wollen in Erfahrung gebracht haben, dass über den Oman Waffen an die Ansarollah (so die Eigenbezeichnung der Huthi) geschmuggelt wurden. Für die Behauptung wurden bislang jedoch keine Beweise vorgelegt, und der Oman weist die Anschuldigungen als unbegründet zurück.

Für Unruhe sorgt nun auch, dass das wahhabitische Königreich Saudi-Arabien nach lokalen Angaben fundamentalistische Zentren in der Region errichtet, um über diese die Ideologie des Salafismus zu verbreiten und das religiös-kulturelle Fundament für die eigenen Ambitionen zu legen. Einwohner Kaschans, der drittgrößten Stadt der Region,  berichteten, dass "einige Individuen, darunter Ausländer, von denen angenommen wird, dass es sich um Salafisten handelt, die in Saada gekämpft haben, Grundstücke für Unsummen kaufen, die dem tatsächlichen Wert des Grundstücks nicht entsprechen".

Die ersten Truppen kamen im Dezember 2017 nach al-Mahra, etwa zwei Jahre nachdem Saudi-Arabien und die VAE – zusammen mit anderen arabischen Staaten, die nicht mehr Teil der Koalition sind – eine militärische Offensive gegen das ärmste Land der Region gestartet hatten. Bislang wurden über 10.000 Jemeniten in Kampfhandlungen getötet, insgesamt mehr als 40.000 Menschen starben. Genaue Informationen über die Zahl der Todesopfer zu erhalten, ist schwierig, die Kinderrechtsorganisation "Save The Children" schätzt jedoch, dass 2017 mindestens 50.000 Kinder starben, durchschnittlich 130 pro Tag.

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