Herr Nazirizadeh, bitte stellen Sie sich unseren Lesern vor
Als Deutscher mit iranischen Wurzeln nutze ich meine durch das Leben in zwei Kulturen erworbenen Fähigkeiten, um die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern. Seit vielen Jahren begleite ich deutschlandweit kleine und mittelständische Unternehmen, um in Iran geschäftlich aktiv zu werden. Für das Bundesland Rheinland-Pfalz vertrete ich die offizielle Kontaktstelle der rheinland-pfälzischen Wirtschaft in Iran. Ich unterstütze auch iranische Unternehmer, sich in Deutschland geschäftlich zu engagieren. Außerdem bin ich politisch und ehrenamtlich auf verschiedenen Ebenen aktiv, immer mit dem Ziel, Menschen zusammenzubringen und einen respektvollen Austausch zu fördern.
Bitte beschreiben Sie das Wasserproblem im Iran. Was sind die Ursachen? Ist dies dem Klimawandel geschuldet, liegt es an Misswirtschaft, an falscher Planung?
Iran ist ein Land, das schon immer zu einem großen Teil aus Wüste oder Halbwüste bestand. Von seiner Gesamtfläche von 165 Millionen Hektar, sind nur 50 Millionen Hektar landwirtschaftlich nutzbar und nur 18 Millionen Hektar werden auch tatsächlich genutzt. Die Wasserknappheit und die höchste Bodenerosionsrate der Welt verschlechtern die Situation. Hierbei sind der Klimawandel und eine seit Jahrzehnten anhaltende Dürre unter den Ursachen, aber auch veraltete Technik bei der Bewässerung – 90 Prozent der Anbaufläche müssen bewässert werden. Hinzu kommt geringes Problembewusstsein und Verschwendung von Wasser bei niedrigen Preisen durch die Bevölkerung. Iran mit seiner Bevölkerung von 1 Prozent der Weltbevölkerung stehen nur 0,3 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen zur Verfügung. Im Durchschnitt verbraucht jeder Iraner täglich 160 Liter Wasser. Zum Vergleich: in Deutschland liegt diese Zahl bei 125 Litern. Die Bevölkerung wächst und die industrielle Produktion wird ausgebaut, all das steigert den Wasserbedarf bei sinkenden Ressourcen.
Die Fehlentwicklungen in der Wasserwirtschaft bestehen seit mindestens 50 Jahren und ein Umdenken erfolgt zu langsam. So wurden viel zu viele Staudämme gebaut, circa 600 seit der Revolution, die zum Austrocknen von Feuchtgebieten führten. Auch das verständliche Bemühen um Nahrungsmittelautarkie in einem Land, das über Jahrzehnte unter Sanktionen litt, hat zur Intensivierung des Anbaus von wasserintensiven Kulturen und somit zum vermehrten Verbrauch von Grundwasser geführt. Besonders umstritten ist hier die Forcierung des Weizenanbaus. Die Kombination mit Bewässerungsmethoden, deren Effizienz nur bei 45 Prozent liegt – der weltweite Durchschnitt liegt bei 75 Prozent - ist besonders verheerend. Dabei wurde die Effizienz in den letzten zehn Jahren bereits um 10 Prozent gesteigert. Die Landwirtschaft verbraucht 90 Prozent des Wassers in Iran.
Umstritten ist auch die Ansiedlung von sehr wasserintensiven Industrien in Gebieten mit besonderem Wassermangel. Hier hat man versucht, Arbeitsplätze zu schaffen, ohne dieses Problem zu beachten. Man steuert dagegen, indem man zum Beispiel Kraftwerke mit aufbereitetem Abwasser statt mit Wasser aus Tiefbrunnen kühlt. Aber die Umsetzung solcher Projekte dauert ihre Zeit und kostet Geld.
Wie zeigt sich der Wassermangel? Inwieweit nimmt dieser Einfluss auf die Bevölkerung in ihrem Alltag?
Zwölf von 31 iranischen Provinzen sind in wenigen Jahren von völliger Austrocknung bedroht. 90 Prozent der Bevölkerung befinden sich in Gebieten mit hohem oder sehr hohem Wasserstress, damit ist Iran mehr gefährdet als jedes andere Land in der Region oder in Nordafrika. Ernsthaft zu spüren bekommen den Wassermangel bisher die Bauern und die ländlichen Gebiete. Hier mussten in manchen Regionen schon große Teile der Felder oder Plantagen aufgegeben werden. In diesem Jahr hat die Regierung erstmalig den Anbau wasserintensiver Feldfrüchte in manchen Gebieten verboten.
Es kommt auch immer wieder zu Protesten, wenn Bauern sich dagegen auflehnen, dass aus ihrer Sicht die knappe Ressource ungerecht verteilt und umgeleitet wird.
Welche Projekte gibt es gegen den Wassermangel?
Man kann sagen, dass die Regierung Rouhani das Problem erkannt hat und versucht gegenzusteuern. So subventioniert sie die Kosten für moderne, wassersparende Bewässerungsanlagen zu 85 Prozent, stoppte den Bau von Staudämmen bei noch nicht sehr vorangeschrittenen Projekten, bringt den Bau von Kläranlagen voran und investiert in die Trinkwassernetze, um die sehr hohe Verlustrate von 25 Prozent zu vermindern. Ein großes Problem ist, dass bisher alle Regierungen hinter ihren Ankündigungen für Investitionen zurückblieben. Auch die verbesserte wirtschaftliche Lage nach weitgehender Aufhebung der Sanktionen hat daran nichts geändert. So sind zwar die Fachkräfte und auch das Know-How in Iran vorhanden, die Umsetzung dringender Projekte bleibt jedoch in vielen Bereichen hinter der Notwendigkeit zurück.
Umstritten, auch innerhalb der Regierung sind die großen Wasser-Transfer-Projekte, wie zum Beispiel vom Kaspischen Meer in die Provinz Semnan, oder vom Persischen Golf in insgesamt 16 Provinzen. Auch sind die Kapazitäten für die Meerwasser-Entsalzung bisher noch gering, ein weiteres Projekt, das große Investitionen erfordert.
Bietet ein Umweltprojekt Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit, die in anderen Bereichen durch - noch immer bestehende Sanktionen - behindert/verhindert wird?
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Iran im Bereich der Wasserwirtschaft gibt es seit mehr als 20 Jahren und diese wurde auch in der Zeit der Sanktionen nicht unterbrochen. Behindert wurde sie aber sehr wohl, denn auch der Import von Technologien wie zur wassersparenden Bewässerung, Messtechnik und ähnliches war erschwert oder unmöglich. Derzeit gibt es in diesem Bereich formal keine Hindernisse, aber - wie wir alle wissen - ist der Handel mit Iran trotzdem wegen der Zurückhaltung der Banken schwierig. Umweltprojekte, die von Regierungsseite in Deutschland gefördert werden, haben es natürlich leichter, aber diese können natürlich nicht flächendeckend Probleme lösen.
Iran hat während der Sanktionen seine heimische Produktion von Ausrüstung für die Wasserwirtschaft forciert und ist jetzt mehr an Technologietransfer und wissenschaftlicher Zusammenarbeit als an reinen Liefergeschäften interessiert. Zumindest Letzterer sollten Sanktionen nicht im Wege stehen.
Das deutsche Projekt für "Integriertes Wasserressourcen Management (IWRM)" wurde 2015 abgeschlossen. Verfehlte dieses sein Ziel? Denn sichtbar, auch für Touristen, wird das Problem des Wassermangels bei einem Besuch der Stadt Esfahan. Der Zayandeh Rud führt derzeit kein Wasser und vor den Toren der Stadt demonstrieren die Bauern wegen des Wassermangels.
Wenn das Projekt zum Ziel gehabt hätte, die Probleme der Region zu lösen, wäre das sicherlich zu hoch gegriffen gewesen. Es ist auch nicht abgeschlossen, sondern befindet sich in einer weiteren Phase. Die erste Phase war eine der Analyse der Situation, und der verschiedenen konkurrierenden Interessengruppen. Die zweite Phase beschäftigt sich mit der Umsetzung in schon genannten Bereichen: wassersparende Bewässerung, Nutzung von aufbereitetem Abwasser für die Industrie, sparsamerer Wasserverbrauch in Haushalten.
Leider lassen sich schnelle Veränderungen nicht erzwingen, sondern brauchen ihre Zeit. Zeit, die extrem knapp bemessen ist, angesichts der Dramatik der Situation.
Welche deutsch-iranischen Projekte zum Wassermanagement gibt es?
Es gibt und gab in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der „German Water Partnership“, ein von der Bundesregierung unterstützter Zusammenschluss von Beratungsunternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen, industriellen und Bau-Unternehmen eine Reihe von Projekten mit Schwerpunkt auf Beratung zu Modernisierungs- und Finanzierungsstrategien und Schulung von Fachkräften in technischen Bereichen, wie Mess- und Verfahrenstechnik. Auch während der Zeit der Sanktionen konnten in diesem Rahmen technische und Bauprojekte umgesetzt werden.
Was muss passieren, um eine langfristige Verbesserung der Wasserressourcen herbeizuführen?
Da wir davon ausgehen müssen, dass sich die durch den Klimawandel verursachten Phänomene eher verstärken, können wir auf eine Verbesserung nicht wirklich hoffen. Es geht also darum, mit den knappen Ressourcen klüger umzugehen. Die Dringlichkeit des Problems müsste innerhalb Irans sehr viel größere Aufmerksamkeit erfahren und eine Bereitschaft aller Interessengruppen, wirklich mit Volldampf an einer Verbesserung der Situation zu arbeiten, um die größte Krise aufzuhalten. Derzeit entnimmt Iran dreimal mehr Wasser aus seinen Ressourcen, als die Vereinten Nationen als gerade noch verkraftbar empfehlen!
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein Menschenrecht. Darum wünsche ich mir von der deutschen Politik, dass deutsche Unternehmen ermutigt werden, in Irans Wasserwirtschaft zu investieren und Einfluss auf die Banken genommen wird, diese Projekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Für Iran ist die Sicherheit wichtig, dass internationale Abkommen auch eingehalten werden, um sich zum Beispiel die Kultivierung von zu wasserintensiven landwirtschaftlichen Produkten drastisch zu reduzieren.
Das Interview führte RT-Deutsch Redakteurin Olga Banach.
Wir bedanken uns für das Interview.
RT-Deutsch verschaffte sich einen Blick vor Ort und besuchte die Stadt Esfahan
Ali, Einwohner der iranischen Stadt Esfahan und Pensionär, unterhält, wie viele Iraner, einen Garten außerhalb der Stadt. Der vererbte Grund und Boden mit seinen über Jahre gewachsenen Obstbäumen bot der Familie und Freunden immer einen Rückzugsort vor Hitze und Luftverschmutzung. Auf dem Markt konnte die Familie die Ernte verkaufen, ein willkommener Zuverdienst in einem Land, welches unter Sanktionen leidet. Jetzt aber ist Ali gezwungen diesen zu verkaufen. Es gibt kein Wasser mehr. Der Anblick des ausgetrockneten Zayandeh Rud, der sonst unter der historischen Chadschu-Brücke floss, macht die Menschen traurig.
Der Großteil der iranischen Wasserressourcen floss bisher in die Landwirtschaft. Vor den Toren der Stadt Esfahan demonstrieren die Bauern und fürchten um ihre Existenz. Die iranische Regierung hat das Problem des Wassermangels in ihre Agenda bis zum Jahr 2021 aufgenommen. Erste Schritte in der Landwirtschaft wurden vor zwei Jahren unternommen. 122.000 Hektar Ackerland wurden mit einer neuen Bewässerungstechnik ausgestattet, welche Ressourcen schont. In der Abwasseraufbereitung besteht noch Verbesserungsbedarf. Auch sind viele Haushalte in ländlichen Gebieten nicht an die Kanalisation angeschlossen.