"Stunde der Abrechnung": Türkei greift kurdische Stellungen in Syrien und Irak an

Nach dem jüngsten Terroranschlag in Istanbul hat die Türkei einen Vergeltungsangriff in Nordsyrien und im Nordirak durchgeführt. Die Operationen sollen sich gegen die kurdischen Organisationen PKK und YPG gerichtet haben. Damaskus kritisierte die Angriffe.

Die türkische Armee hat in der Nacht zu Sonntag kurdische Stellungen in Nordsyrien und im Nordirak angegriffen. Die Operationen richteten sich gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG, teilte das Verteidigungsministerium in Ankara mit. Die türkische Regierung macht beide für den Bombenanschlag im Stadtzentrum von Istanbul verantwortlich, bei dem am Sonntag vergangener Woche sechs Menschen getötet worden waren.

Der Nachrichtensender CNN Türk berichtete von Angriffen unter anderem auf Orte wie Kobanê, die bislang unter Besatzung der Kurden in Nordsyrien sind. Auf der Twitter-Seite des türkischen Verteidigungsministeriums hieß es am Samstagabend: "Abrechnungszeit!" Man werde die "Angriffe" rächen.

Die Luftangriffe richteten sich unter anderem gegen Kobanê, eine strategisch wichtige Stadt nahe der türkischen Grenze, die Ankara zuvor versucht hatte, im Rahmen seiner Pläne zur Einrichtung einer "sicheren Zone" im Norden Syriens einzunehmen. Der Sprecher der kurdischen Milizen in Nordsyrien, Farhad Schami, erklärte, dass Ankara zwei Dörfer, in denen sich viele Binnenflüchtlinge aufhielten, unter Beschuss genommen habe. Er sagte, die Angriffe hätten "Tote und Verletzte" zur Folge gehabt.
Sowohl Ankara als auch Washington betrachten die PKK als Terrorgruppe, sind sich aber nicht einig über den Status der syrischen Kurdengruppe YPG (der syrische Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK), die mit den USA in Syrien verbündet ist.

Es wurde zugleich gemutmaßt, dass die türkische Regierung den Bombenanschlag als Anlass für eine neue Invasion in Nordsyrien nehmen könnte. Die Türkei hat seit 2016 bereits vier Militäroffensiven in Nordsyrien initiiert. In syrischen Medien wurde am Sonntagmorgen von türkischen Angriffen auf Stellungen der YPG berichtet. Syriens staatliche Nachrichtenagentur SANA sprach von einer "türkischen Aggression". 

Nach dem Terroranschlag in Istanbul mit sechs Toten haben die türkischen Behörden 17 Verdächtige verhaftet. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen die Verdächtigen sind unter anderem vorsätzliche Tötung und die "Verletzung der staatlichen Einheit". Die türkische Regierung macht die PKK für den Anschlag verantwortlich. 

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