Von Seyed Alireza Mousavi
Bei der massivsten israelischen Militäroperation im Westjordanland seit zwei Wochen sind am Montag sechs Palästinenser getötet worden. Die Armee ging vor allem gegen die "Löwengrube" vor, eine neue Milizgruppe in der nördlichen Stadt Nablus, die vor etwa zwei Monaten gegründet worden war.
Israel macht die "Löwengrube" für mehrere Angriffe auf Soldaten und Militäreinrichtungen verantwortlich. Erst am Sonntagmorgen war "ein führendes Mitglied" der Löwengrube laut israelischer Darstellung getötet worden, als in der Altstadt eine in einem Motorrad platzierte Bombe detonierte. Die Gruppe schrieb Israel den Anschlag zu. Die Eskalation erreichte mit dieser Operation eine neue Stufe, da Israel eine Terrormethode für die Tötung der Palästinenser anwandte. Der Anschlag war zudem die erste gezielte Tötung eines Palästinensers im Westjordanland durch Israel seit der Zweiten Intifada. Auch nahe Ramallah gab es laut Medienberichten einen Toten. In dem Dorf Nabi Saleh eröffnete die israelische Armee das Feuer auf einen Teenager, der einen Molotowcocktail auf israelische Fahrzeuge warf.
Die palästinensische Gruppe hat in letzter Zeit zahlreiche Angriffe für sich reklamiert. Immer wieder veröffentlichte die "Löwengrube" Stellungnahmen und Videos, auf denen Angriffe auf Checkpoints oder Siedlungen zu sehen sein sollen. Mitte Oktober sollen zwei Mitglieder der Miliz südlich von Nablus einen israelischen Soldaten getötet haben. Seither hat Israel Nablus von der Außenwelt abgeriegelt. Über den Köpfen der Menschen fliegen nun Drohnen, mit denen die Israelis die Stadt rund um die Uhr beobachten.
Mitglieder der neu formierten Miliz "Löwengrube" zielen nach eigenen Angaben darauf ab, Angehörige zu rächen, die seit der Zweiten Intifada vor zwanzig Jahren von der israelischen Armee getötet wurden.
Zehntausende Palästinenser gingen am Dienstag auf die Straße, um die sechs Palästinenser zu betrauern, die von den israelischen Streitkräften bei der jüngsten Militäroperation in der Stadt Nablus getötet wurden. An verschiedenen Checkpoints im Westjordanland kam es zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. Die Soldaten feuerten Tränengas und Gummigeschosse auf die palästinensischen Demonstranten ab, wobei mehrere Personen verletzt wurden.
Die Fatah-Partei des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und andere Gruppen riefen bereits einen Generalstreik in Nablus, Ramallah und Dschenin aus. An mehreren Universitäten im Westjordanland wurden Studenten aufgerufen, der Armee mit ihren Protesten entgegenzutreten.
Zur wachsenden Unruhe im Westjordanland tragen auch radikale Siedler bei. Der Zeitung Haaretz zufolge sollen sie allein in den zurückliegenden zehn Tagen für mehr als hundert gewaltsame Übergriffe auf Palästinenser verantwortlich sein. Die Proteste im Westjordanland weiten sich weiter aus, während die Parlamentswahl in Israel bevorsteht. Die rechte Opposition um Netanjahu und die radikalen Siedler drängen nun die Armee zu einem noch härteren Durchgreifen gegen die Palästinenser. Es besteht die Gefahr, eine neue Antifa vom Zaun zu brechen.
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