Eine von den Taliban geleitete Zusammenkunft Tausender von Würdenträgern und Taliban-Funktionären endete am Samstag damit, dass die Teilnehmer ausländische Regierungen in einer Erklärung aufforderten, die Taliban-Regierung offiziell anzuerkennen.
Die afghanische Wirtschaft wurde in eine Krise gestürzt, als westliche Regierungen strenge Sanktionen gegen Kabul verhängt haben – mit der Begründung, die Taliban-Regierung müsse ihren Kurs in Bezug auf die Menschenrechte ändern. Nach der Machtübernahme der Taliban beschlagnahmten zudem die USA Milliardensummen des afghanischen Staatsvermögens.
Zum ersten Mal seit der Machtübernahme im vergangenen Jahr war letzte Woche unter der Taliban-Regierung eine Große Versammlung von Repräsentanten zusammengekommen, um über wichtige Fragen der Zukunft des Landes zu debattieren. Mehr als 3.000 Kleriker, Würdenträger und Vertreter aus anderen gesellschaftlichen Bereichen waren nach Kabul zur Loja Dschirga, also zur "Großen Versammlung" einberufen worden.
Für Aufsehen sorgte die Versammlung vor allem, als am Freitag der Taliban-Anführer Hibatullah Achundsada den Saal der Großen Versammlung in Kabul betrat. Achundsada hält sich sonst weitgehend im Hintergrund, was immer wieder zu Spekulationen über seinen Aufenthaltsort und seine Gesundheit führt.
Achundsada mit dem Titel "Führer aller Gläubigen" (Amīr al-Mu'minīn) zeigte sich bislang – seit der Machtübernahme der Taliban – nur ein einziges Mal in der Öffentlichkeit: Beim Gebet zum Ende des Ramadan in Kandahar.
In Kabul wurde Achundsadas Rede zwar im Staatsrundfunk übertragen, Fernsehbilder von der Versammlung gab es dabei jedoch nicht. In seiner Rede sagte Achundsada: "Der Erfolg des afghanischen Dschihad ist nicht nur eine Quelle des Stolzes für Afghanen, sondern für Muslime in der ganzen Welt." Berichten zufolge sagte er auch, die Welt solle aufhören, den Taliban vorzuschreiben, wie sie das Land regieren sollen: "Warum mischt sich die Welt in unsere Angelegenheiten ein?"
Mehrere Religionsgelehrte hatten sich auf der Versammlung dafür eingesetzt, das Schulverbot für Mädchen ab der siebten Klasse endlich aufzuheben. Die verabschiedete Resolution auf der Taliban-Versammlung ist nicht sehr explizit, aber sie deutet die Forderung nach einem "modernen Bildungssystem im Lichte der Scharia" an.
In der Erklärung findet sich auch der Aufruf, die Rechte von ethnischen Minderheiten zu achten. Die meisten Funktionäre der Taliban-Regierung sind Paschtunen. In der Realität Afghanistans machen sie aber Schätzungen zufolge nur knapp 40 Prozent in der Gesamtbevölkerung aus.
In der abschließenden Erklärung der Großen Versammlung hieß es, die Verteidigung des Islamischen Emirats sei "obligatorisch". Die Taliban bezeichneten zudem die militante Terrorgruppe "Islamischer Staat", die nach eigenen Angaben hinter mehreren Angriffen im Land stecke, als eine illegale Gruppierung. Die Taliban betonten erneut, sie würden sich nicht in innere Angelegenheiten der Nachbarländer einmischen und diese sollten sich dementsprechend auch nicht in die Angelegenheiten Afghanistans einmischen.
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