von Seyed Alireza Mousavi
Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise überschlugen sich die politischen Ereignisse in letzter Zeit auch im Nahen Osten. Russland und Syrien führten kürzlich eine ungewöhnliche gemeinsame Luftraumüberwachung entlang der Golanhöhen und des Euphrats durch. Die Huthis im Jemen feuerten zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit Raketen auf die Vereinigten Arabischen Emirate ab. Die Gespräche zur Wiederherstellung des Atomdeals mit Iran gehen derzeit in die letzte Etappe. US-Außenminister Antony Blinken unterzeichnete überraschenderweise mehrere Erleichterungen der US-Sanktionen im Zusammenhang mit dem zivilen Atomprogramm Irans.
Seit der sogenannte Ukraine-Konflikt wieder eskaliert hat, demonstriert Moskau eine beispiellose Präsenz im Mittelmeer. Das russische Geschwader, das im syrischen Hafen Tartus stationiert ist, wurde kürzlich durch weitere große Flotten von Kriegsschiffen ergänzt.
Die Lage im Nahen Osten hat sich seit Ukraine-Krise geändert, aber nicht zugunsten Israels als des wichtigsten US-Verbünden dort. Die israelische Zeitung Haaretz kommentiert diesbezüglich, dass der Ukraine-Konflikt Israel in eine "No-Win-Situation" bringe: "Für Russland und Iran ist die Ukraine-Krise bereits ein Erfolg." Ein Erfolg in der Ukraine werde Russland bei der Umsetzung seiner strategischen Ziele ermutigen, die USA aus dem Nahen Osten zu verdrängen und die "dominierende Supermacht" in der Region zu werden. Das seien gemeinsame Ziele, die Moskau und Teheran teilen würden.
Für Iran hätte im Grunde der Zeitpunkt der Ukraine-Krise nicht günstiger sein können, nachdem die Wiener Gespräche mit Iran einen kritischen Punkt erreicht haben. Israel ist gerade deswegen besorgt über Entwicklungen in der Ukraine, weil dieses Land außenpolitisch fast in vollständiger Abhängigkeit von den USA steht. Nach israelischer Darstellung lenkt die Krise in der Ukraine die US-Aufmerksamkeit vom Iran und der Atomfrage ab und bringt den Westen noch weniger in die Lage, starke Positionen bei den Wiener Gesprächen zu vertreten. Die Spannungen in der Ukraine verschlechtern zudem die Beziehungen zwischen den Großmächten und bedrohen deren Fähigkeit, weiterhin in den Atomgesprächen eng zusammenzuarbeiten. Ein Russland, das vom Westen mit "nie dagewesenen Sanktionen" bedroht wird, wäre sicherlich weniger geneigt, auf Iran im Sinne des Westens "Druck" auszuüben, um einen atomaren Kompromiss zu erzielen.
Israel hat dennoch in letzter Zeit seine Aggressionen gegen Syrien noch intensiviert. Insofern hat die gemeinsame russisch- syrische Luftraumüberwachung entlang der Golanhöhen die Regierenden in Tel Aviv alarmiert. Dabei drängt sich auch die Frage auf, ob Russland zeitgleich zu den Spannungen um die Ukraine ein Signal an die NATO senden will, dass seine militärischen Fähigkeiten auch den Nahen Osten einschlössen, falls eine mögliche Osterweiterung dieses von den USA geführten Militärbündnisses nicht gestoppt würde. Von diesen möglichen Entwicklungen würde Tel Aviv ganz sicher nicht profitieren, da sie ein deutliches Zusammenrücken der Rivalen der USA in dieser Region, nämlich von Russland, Iran und Syrien zur Folge haben.
Während die Verschärfung des Ukraine-Konflikts in die Schlagzeilen der medialen Berichterstattung im Westen gerückt wurde, spitzt sich ein weiterer Konflikt im Nahen Osten zu. Die Ansarullah-Bewegung (die Huthi-Milizen) im Jemen flogen innerhalb kurzer Zeit dreimal Raketenangriffe gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Der letzte Angriff aus dem Jemen erfolgte während des offiziellen Besuchs des israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog in Abu Dhabi. Die Angriffe geschehen in einem Zeitfenster, in dem international bedeutende Mächte in Wien um die Erzielung eines neuen Atomabkommens mit Iran ringen. Mit den Luftangriffen auf die VAE demonstrierte Iran seine Macht und Entschlossenheit am Persischen Golf, selbst wenn die Angriffe von ihren Stellvertretern in der Region durchgeführt worden seien, kommentierte Haaretz.
Während die USA von ihren innenpolitischen Kontroversen und sozialen Missständen aufgezehrt werden, hat die US-Regierung versucht, ihre Aufmerksamkeit in der Außenpolitik in erster Linie der ultimativen "Eindämmung Chinas" und nicht dem Aufstieg Russlands am Schwarzen Meer zu widmen. Und dies trotz aller drohenden Rhetorik gegenüber Moskau. Israel ist insofern besorgt über die schwindende US-Präsenz im Nahen Osten und den zunehmenden iranischen Einfluss in der Levante, während der Kreml eine beispiellose Präsenz im Mittelmeer demonstriert.
Mehr zum Thema - Attacke auf Wüstenkapitalismus: Warum greifen Huthi-Kämpfer Abu Dhabi an?